Du bist sechs Jahre alt, als deine Welt in Flammen aufgeht. Die politischen Unruhen in Nepal, die Kolonialkämpfe der Briten, der Verrat in deiner eigenen Familie — sie reißen alles an sich, was du je besessen hast. Die Schreie der Sterbenden mischen sich mit dem Knistern der lodernden Flammen, der Ruß brennt in deiner Kehle, und das Blut deiner Eltern schmiert warme, klebrige Muster auf deine kleinen Hände. Niemand kommt, um dich zu retten. Also rettest du dich selbst.

Jahre vergehen, während du durch die Schatten Kathmandus gleitest. Als Bettlerin, eine Botin, eine Diebin. Die Stadt wird dein Lehrmeister, ihre Gassen dein Tempel. Hunger ist nicht nur ein Ziehen im Magen, er ist ein Messer an deiner Kehle, ein Lehrer, der dich zwingt, schneller zu denken, leiser zu gehen, klüger zu lügen. Worte sind Klingen, ein falsches verspricht den Tod, ein richtiges kann dich durch eine Tür führen, die verschlossen bleiben sollte. Vertrauen ist eine Ware, die du verkaufst, aber nie selbst erwirbst.

Die Dhakas kommen nicht wie Retter in dein Leben, nicht wie Heilige mit ausgestreckten Händen. Sie kommen wie Beobachter. Still. Wachsam. Zwei Silhouetten im flackernden Licht einer Stadt, die niemals schläft. Ihre Augen ruhen auf dir, kalt und berechnend, und du weißt sofort: Das hier ist keine Wohltätigkeit. Sie nehmen dich mit, fort von den Gassen, fort von der Kälte, die du so lange überlebt hast. Nicht aus Mitleid, sondern aus Kalkül. Weil sie in dir etwas sehen, das sich formen lässt. Etwas, das man schärfen, lenken, benutzen kann. Sie zeigen dir, dass Magie mehr ist als ein Funke im Blut — sie ist eine Waffe, die geführt werden will. Kein ungezähmter Sturm, sondern kalter Stahl, geschmiedet im richtigen Feuer, gehärtet durch Entbehrung. Ihre Lektionen sind hart, oft gnadenlos, aber du hältst durch. Weil du es immer tust. Weil du es tun musst.

Doch zwischen all den Lehrstunden bleibt eine Wahrheit in deinem Inneren, pulsierend wie eine Narbe, die nie verblassen wird: Alles, was dir je genommen wurde, wurde nicht von Göttern geraubt, sondern von Menschen. Und Menschen kann man täuschen. Manipulieren. Brechen. Macht bedeutet nicht, stärker zu sein — sondern die Regeln neu zu schreiben.

Als die Unruhen zunehmen, zieht es euch nach Stellans. Dort kommst du zum ersten Mal mit dem Spinnennetz in Berührung. Du beobachtest, lauschst, lernst. Du siehst die Fäden, die sich durch die Welt ziehen, und du begreifst, dass man sie nicht nur entwirren kann, sondern auch weben. Sie glauben, dich zu rekrutieren. Doch du hast längst selbst entschieden, wo du hingehörst.

Heute bist du nicht mehr das sechsjährige, hilflose Ding von damals. Deine Stimme ist leise, deine Worte bedächtig. Du bist kein drohender Schatten, der Furcht verbreitet — du bist die sanfte Dunkelheit, die sich an den Rand eines Bewusstseins legt, kaum wahrnehmbar, bis es zu spät ist. Du bist kein Geist, kein Dämon, keine Heilige. Du bist Kumari Rauniyar. Und wer das unterschätzt, wird es nicht lange genug bereuen können.

Shortfacts

• Kumari Rauniyar
  
• 27 Jahre
  
• Schwarzmagierin
  
• Spinnennetz
  

FC: Amita Suman?

Du bist das Produkt eines Krieges. Nicht nur im historischen Sinne, sondern in jeder Faser deines Wesens. Geboren inmitten von Streit, zwischen zerbrochenem Porzellan und zerfallender Liebe, warst du von Anfang an ein stummer Zeuge menschlicher Abgründe. Deine Kindheit war ein Drahtseilakt zwischen Verantwortungsbewusstsein und Vernachlässigung. Du warst der Junge, der zu früh erwachsen werden musste, der sich um einen jüngeren Bruder kümmerte, weil niemand sonst es tat. Du warst der Sohn, der in die psychischen Schatten seiner Mutter blickte und in den alkoholgetränkten Augen seines Vaters nur Leere fand.

In der Schule warst du der Beobachter — zurückhaltend, scharf, analytisch. Manchmal zu still, manchmal zu sehr in deinen eigenen Gedanken gefangen. Psychologie faszinierte dich, natürlich tat sie das. Vielleicht aus dem verzweifelten Wunsch heraus, die Wunden deiner Familie zu verstehen. Vielleicht, weil du früh gelernt hast, dass die größte Waffe nicht eine Faust oder ein Gewehr ist, sondern ein Wort, ein Blick, eine Entscheidung.

Der 2. Weltkrieg brachte alles durcheinander. Ein Ruf an die Front, ein Befehl, der dich aus dem Leben riss, das du dir gerade erst aufzubauen begannst. Dort, im Dreck, zwischen dem Dröhnen der Artillerie und den Schreien der Verwundeten, wurdest du jemand anderes. Dein Bruder fiel, der einzige Mensch, für den du dich je wirklich verantwortlich gefühlt hast. Deine Verlobte starb, dein letzter Funken Normalität erlosch. Und du? Du hast überlebt. Dein Körper kehrte zurück, aber deine Seele blieb zwischen den Schützengräben.

Was macht ein Mann, der alles verloren hat? Er sucht einen neuen Sinn, einen neuen Antrieb. Das Spinnennetz wurde dein Zuhause, nicht wegen ihrer Ideologie, sondern weil sie dir etwas boten, was du nicht mehr hattest: Eine Richtung. Dein Moralkompass drehte sich nicht mehr nach Norden, sondern nach Nutzen. Und wenn dein Dienst als Seelsorger nicht nur mit Worten half, sondern auch mit Taten — endgültigen, unumkehrbaren Taten — dann war das eben so. Du wurdest nicht zum Mörder aus Hass, sondern aus Überzeugung. Und Überzeugung ist gefährlicher als Hass.

Heute bist du eine wandelnde Antithese. Ein Mann, der anderen Trost spendet, während er im Schatten Urteile fällt. Ein Arzt der Psyche und ein Henker des Gewissens. Und wenn du nachts in den Spiegel siehst, erkennst du darin nicht nur die Narben des Krieges. Du erkennst einen Mann, der einmal jemand anderes war. Und der nie wieder zu diesem jemand zurückkehren wird.

Shortfacts

• Corvus Cresswell
  
• 31 Jahre
  
• Seelsorger/Auftragsmörder
  
• Keine Ächtung
  
• Schwarzmagier
  
• Spinnennetz
  

FC: Freddy Carter