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Aber er fürchtete sie zu vertreiben - so erklärte Margot es sich zumindest - behandelte sie wie eine Blüte aus Staub, die unter zu viel Druck einging. Manchmal liebte sie ihn dafür, für die Sanftheit und sein ewiges Verständnis. Manchmal sah sie auf ihn herab, für seinen Mangel an Kontrolle und Dominanz.
Und von ihrem ersten Kuss an überließ sie es Cillian ihr ein gutes Gefühl zu geben, die Wunden zu heilen: Die alten und die, die jeder Kuss aufriss.
Das war es, was sie tat, wenn ihr Blick umherschweifte: Sie versuchte, ihn oder eine Version von ihm zu finden. Und eines Tages fand sie ihn. Sie fand ein Stück von ihm in Cillian.
Wenn Margot neidisch auf ihre Schwester war, dann nicht, weil sie ihr dieses Leben nicht gönnte. Gott, wem wenn nicht ihrer liebsten Schwester würde sie dies sonst wünschen? Nein, wenn Margot auf ihre Schwester neidisch war, dann tat sie sich vorrangig selbst leid; weil sie sich in einen Mann und ein Leben verliebt hatte, das ihr nie zugestanden hatte
Die Welt versank im Rot der Styx, die sich über ihnen erhob und die Gräben flutete, um die Toten mit sich zu nehmen. Wie ein Tsunami breitete sie sich aus. Ein Sturm, welcher sein Herz in Benjamins Brust fand, seine Kehle empor stieg und seine Atemwege überschwemmte.
Er sah wieder zu Balfour. Auch er wirkte in seinem Anzug wie eingefallen, fehlplatziert und zugleich doch nur wie eine weitere Falte im Stoff.
Was soll das eigentlich heißen, du willst deinen Geburtstag nicht im Royal Kitty verbringen? Es ist vielleicht kitschig und das Klientel etwas berührungsaffin, aber ich finde das eine ganz großartige Idee. Ich gehe als dein Vater, habe den perfekten Anzug dafür. Oder doch lieber als Katya? Ich könnte mir einen ganz wunderbaren Pelz besorgen.
Grüß Katya und Agnessa und meinetwegen auch Miron. Nikolay musst du von mir nicht grüßen, der bekommt mich ja auch so schon nicht aus dem Kopf, da müssen wir ihn nicht noch an mich und mein perfektes Erscheinungsbild erinnern.
Fedorov,
Jeder Brief von dir ist ein absoluter Genuss, weil du dich so herrlich darauf verstehst, dich zu beschweren.
Sie waren im Krieg miteinander, er und Mendelssohn, dessen Melodie an den Wänden wider und widerhallte, um Silas’ Kopf nun auch wirklich aus jedem Winkel anzugreifen.
Wobei es auch oft genug nicht sein Bett war, in welchem er aufwachte. Von den Fußräumen zwischen den Kirchenbänken bis hin zum Straßengraben am anderen Ende der Taschendimension, hatte es Silas in seinem Rausch schon an beinahe jeden Ort von Stellans getrieben, denn es war die pure Unruhe, von welcher er sich in solchen Nächten treiben ließ. Wie ein Geist, der nicht so recht wusste, wohin mit sich.
Freimütig gab sie hingegen Schnuller (Zigarette) und Kuscheldecke (Feuerzeug) an Silas, kümmerte sich um ihn, während sie die Beine baumeln ließ.
Da gab es andere Dinge, über die sie nicht sprachen. Die Komplexität ihrer Arbeit, die Wahrheit ihrer Abgründe, tief, matschig, blutig; und unsichtbar für Silas und Abel. Wollte sie sie schützen? Wenn nicht vor ihr, dann vorm Syndikat selbst? Nein, in Wahrheit war Virginia nur eine eifersüchtig Liebende, die ihren (nicht ganz so neuen, aber immer noch intensiven) Glauben in sich barg wie eine heimliche Affäre.
Manchmal so sehr, dass sie sich wieder in den eigenen Kindskörper wünschte, weil Jocelyn sie dann sicherlich wieder lieben können würde; wie eine Mutter zwar, nicht so, wie Virginia es sich eigentlich zu wünschen glaubte und doch wusste, es nicht zu verdienen, aber immerhin wäre es Liebe. Immerhin wäre ihre Göttin dann ihr zugewandt. Immerhin war ihre Angebetete menschlich.
Sie verbrannte nicht, wenn sie am Kreuz Jesu vorbei schritt, und auch nicht wenn sie sich einen Spaß erlaubte und eins von den kleineren, an den Wänden baumelnden Kreuzchen herumdrehte, sodass Silas am nächsten Morgen sicherlich einen kleinen Herzkasper bekäme.
Dann schaue ich durch Glas, direkt in meinen Vorgarten, dann sehe ich wie sich die Blätter verfärben, wie der Boden immer nasser wird und man nicht mehr unerkannt durch die Wiese laufen kann, ohne genau zu wissen, wo sich das Profil der eigenen Schuhe als Spur in den weichen Boden gedrückt hat.
Auch Abel hatte seine Glaubenssätze. So glaubte er leidenschaftlich und voller Überzeugung daran, dass Kurator Bonfes blasser Arsch noch nie das Sonnenlicht gesehen hatte.
Man konnte vieles über Silas Zapatka sagen. Dass er etwas Anständiges aus seinem Leben gemacht oder eine Berufung gefunden hatte, dem Gemeinwohl diente, sich den schönsten Gelüsten hingab, ein wertvoller Teil der Gesellschaft war - all das gehörte sicherlich nicht dazu.
Abel erlaubte seinen Geschwistern ihre Introvertiertheit nur bedingt. Selbst war er distanzlos und obwohl er ein eitles Arschloch war, war er herzlich, liebevoll.
Man musste ein Vollidiot oder ein Betrunkener sein, um freiwillig ein Pfarrer zu werden. Silas war beides davon.
Ein wenig beneidete sie Aurora Moreno. Ihre Familie war ein fester Bestandteil der Gemeinde. Wo auch immer man sie antraf, schätzte man ihre Gesellschaft. Vor allem schien sie jedoch schlau genug gewesen zu sein, um mit einem weiteren Kind zu verhindern, dass sie Emilios Einschulung in pure Verbitterung stoßen würde.
Sechzehn Jahre lang hatte sie ihre Tochter beinahe stetig an ihrer Seite gehabt, ihr Leben hatte sich kaum um etwas anderes gedreht, und jetzt stand sie plötzlich ohne jene da und erwischte sich selbst dabei, verzweifelt ein Buch nach dem anderen auf ihrem Arm zu stapeln, in der Hoffnung, die plötzliche Leere an ihrer Seite damit füllen zu können.
Nicht einmal das Ende der Welt war ihm vergönnt, nein, anstatt ihn ebenfalls in Flammen aufgehen zu lassen, strafte Gott ihn mit seinem Verbleiben und leeren Weinflaschen, dieser verdammte Hurensohn.
Dafür vermochte man aus jedem Fenster der Akademie auf die Stadt hinabzublicken, die man ihre Heimat nannte. Darauf wies sie Maldwyn jedoch nicht hin, glaubte sie doch nicht, dass der fragile junge Mann noch einen Hinweis auf Fenster benötigte.
Er sah sie an, sie war sich sicher. Kurz glaubte sie, er würde in ihr einen Engel sehen, und wollte verzückt auflachen. Aber dann zuckte er zusammen. Als wäre sie doch der Teufel. Fluchte, dass sie leicht die Augenbrauen hob. ”Dein Wort in Gottes Ohr”, antwortete sie trocken.
Sicherlich atmeten beim Abendmahl alle auch die nach Brennerei stinkende Luft rund um Silas Zapatka ein und überzeugten sich selbst davon, dass er einfach nur auf Händen und Knien, wie ein guter guter gottesfürchtiger Bückling, den Boden mit Alkohol geputzt hatte.
Vielleicht würde er sich dann sogar wirklich irgendeine Hure in sein Bett einladen oder sich in das einer anderen Frau verirren. Sich erneut verlieben, eine neue Familie gründen und das Glück, welches er bei Aurora nicht länger finden konnte, an einem anderen Ort finden. In Momenten wie diesen, auf den dünnen Polstern der Kirchenbank, erschienen ihm die Vorstellung, alle stehen und liegen zu lassen und einfach woanders noch einmal von vorne zu beginnen, durchaus verlockend.
Sie beide, einander so ähnlich und doch so anders, wie als wären sie zwei Enden eines Stranges, der in unterschiedliche Richtungen gezogen wurde. Ein Ende brannte längst (Silas), das andere war in Terpetin getaucht und flirtete mit der Flamme (Virginia). Sie rauchte. Er trank. Und dann war da Abel, der sich durch ganz Stellans schlief, der rauchte und trank.
Es war ein einstudiertes Spiel, abgestimmter als jedes Theater, die Momente, zwischen welche sie ihre Worte pressten, ohne dass der Rest der Familie bemerkte, wie sehr es unter der Oberfläche der Morenos tatsächlich brodelte. Vielleicht taten sie es Emilio aber auch gleich und stellten sich stumm, richteten ihre Blicke lieber weiter nach vorne und verurteilten Aurora und Joaquin im Stillen dafür, dass sie es nicht einmal am heiligen Sonntagmorgen schafften, sich vor Gott zusammenzureißen.
Aurora trug zwar ein Lächeln zur Schau, aber ihr Zorn auf Gael pulsierte unter ihrer Haut. Sie bügelte ihn jeden Morgen in die Falten ihrer Röcke und drückte ihn in den Kragen ihrer Kleider.
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