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”I can do stuff on my own quite well, thank you very much.” Eine Halbwahrheit, im besten Sinne.
Aber die nächsten Worte seines Gegenübers schaffen es tatsächlich, ihm ein unwillkürliches Schmunzeln zu entlocken, das er, in dem Moment, in dem er es bemerkt, hinter seinem Schal zu verstecken versucht. Ist es… Stolz? - Nichts, was er offen zugeben kann, zumindest. Doch in der Tat flammt etwas in ihm auf, das Stolz ziemlich nahekommt. Stolz, dass er etwas für sich hat, etwas, das nur ihm gehört, etwas eigenes - endlich -, nachdem er so lange danach gesucht hat.
Freddie weigert sich vehement, den Zweifeln, die sich in seinem Inneren aufzubäumen versuchen, stattzugeben. Er weiß, dass sie da sind, aber ignoriert sie geflissentlich. Wie ein nerviges Kind, das zu oft am Rockzipfel der Mutter zieht und nach Aufmerksamkeit verlangt, die man ihm nicht geben will.
Er verschließt die Augen vor dem dunkel gefärbten Kopfsteinpflaster - das im Schwarz der Nacht wesentlich weniger deutlich hervorsticht als unter dem Licht der Sonne -, er wendet den Blick ab, wenn er ein Gebäude passiert, das noch vor wenigen Tagen nicht so ramponiert ausgesehen hat. Er lässt sich in die selbst aufgezwungene Unwissenheit fallen, nur um sich nicht mit den Tatsachen konfrontieren zu müssen.
Er konnte sich sogar nur noch vage an sie erinnern, wie als hätte der Mann von damals nur in seinen Träumen existiert. Und wie an einen Traum, dachte er auch an ihn nur kurz nach dem Aufwachen oder dann, wenn ihm selbst siedendheiß auffiel, wie er sich verändert hatte. Denn natürlich verstand selbst James Balfour in all seinem Zynismus, dass es nicht nur die Welt war, die sich gewandelt hatte, sondern vor allem auch er selbst.
Ihre Haltung war aufrecht und steif, während die andere weiter in sich zusammensank und dann sogar ihr Gesicht hinter ihren Händen verbarg. Es störte Elin sofort. Die schlanken Hände, die sich wie fleischige Vorhänge um das schöne Gesicht schlossen, das sie noch nicht loslassen wollte.
Elin lächelte. Zögerlich und sacht als wüsste sie nicht so recht, wie sie ein angemessenes Lächeln auf ihr Gesicht zeichnen konnte.
Aber allein der Anblick, der Frau mit den scheuen Augen, hatte einem der Zahnräder einen Tritt verpasst, es aus seiner Struktur fallen lassen, hinein, in das tiefe Loch zwischen ihren Rippenbögen. Und dort klang es nun. Laut, eindringlich, voll. Ein betörender Klang. Einer, der nur eine einzige Wahrheit bedeuten konnte: Die Fremde wollte von ihr gesehen werden; wollte dass Elin aus ihrer Struktur fiel; wollte sich im Auge des Sturms suhlen wie ein Falke, der den Wind bricht, nur um im Zentrum der Stille zu kreisen.
Damianos, der schwarzhaarige Grieche, der zwar nicht blond, aber durchaus gewaltbereit gewesen war, hatte zumindest zur Hälfte genau in Eliyas’ Geschmacksprofil gepasst. Vor allem an die muskulösen Oberarme konnte Ambróis sich noch erinnern, aber auch daran, wie Damen jene nach jedem Orgasmus geküsst hatte und sich in seinem Selbstlob halb ertränkt hatte.
Wo Eliyas war, war auch sein breitschultriger Schatten meistens nie weit entfernt gewesen und es hätte Ambróis noch nicht einmal überrascht, wenn Eliyas eines Tages auch den Fedorov zu ihnen ins Bett eingeladen hätte, nur um Ambróis dann wie eine einsame Jungfer auf der Kante sitzen zu lassen, während er sich mit seinem angeblich nur besten Freund vergnügte.
Seit seiner Rückkehr nach Stellans fühlten sich die Monate nebliger an. Ihre Versuche die widersprüchlichen Gefühle zu verdrängen, führten zu einer Aushöhlung in ihr, zu einer Abwesenheit, die sich von innen langsam nach außen trug.
Doch er hatte den Traum so sehr in seinem Herzen getragen, dass er nun in all seiner fragilen Schönheit unter der Gegenwart zu zerbrechen drohte. Selbst die Silben von Imogen schienen zerfressen, schienen etwas zu heiter, etwas zu freudig, etwas zu glücklich über seine Haut zu tanzen und stachen in diese hinein; mochten ihn treffen und ungeschützt zurücklassen für jenen Augenblick, in welchem der Sturm aufkam.
Womöglich erinnerte sich Sloan an ein Gespräch vor einiger Zeit. Ein Abend, in dem Alkohol geflossen war und durch eine Verkettung aus Themen und Ereignissen zur Sprache kam, dass Irene einst einen Kinderwunsch gehegt hatte. Es war nie zur Erfüllung dessen gekommen, ebenso wenig zu einer Hochzeit mit Joyce und nun fühlten sich all die einstigen Träume, so sehr Irene sie gleichzeitig aufgrund ihrer Traditionalität auch immer belächelt hatte, unendlich weit entfernt, geradezu wie Erinnerungen aus einem vergangenen Leben.
”First and foremost I shall always be your best friend, Maksim.” Er wusste nicht, wie er sagen sollte, dass dies separat war. Dass er ihn liebte und fürchtete, ihn als besten Freund zu verlieren, aber dass er in ihm auch mehr als das sah. Er hatte solche Angst vor der Flut an Wahrheiten, an der sie haarscharf vorbei schrabbten, dass die Versicherung wie der einzige Anker wirkte, den er sich und seinem erbärmlichen Selbst auswerfen konnte.
Die Art, wie sie einander auf die Schulter klopften, einander ansahen, beobachteten, ja, überhaupt beachteten, war jedoch stets ein Indiz dafür, wie sehr ihre Freundschaft auf der Kippe stand. Als noch alles gut zwischen ihnen gewesen war, hatten sie immer erst nacheinander Ausschau gehalten, egal wer noch im Raum war. Und die erste Frage, wenn der andere nicht anwesend gewesen war, hatte sich immer um den Fehlenden gedreht. Anhand der Art, wie Maksim ihn zur Begrüßung anlächelte, machte Eliyas seit Jahren fest, wie willkommen er in Stellans noch war, obwohl er doch so viel Zeit außerhalb der Taschendimension verbrachte.
„Kurz vor Schluss doch noch den Mut aufgebracht hier rein zu wandern? Typisch Touristen.“
Woran dessen Worte nicht ganz unschuldig waren. Chiyeols Wunsch, zu gefallen, war wie ein Fieber, das ihn überfiel und Alejandro eine obszön ehrliche Antwort entlockte, die ihn kurz hinterfragen ließ, ob er über sich eigentlich noch Kontrolle hatte: ”Tonight you could do whatever you want to me and it’d please me.”
Er wollte Ausdrücke in das Gesicht des Byuns malen, die noch nicht erfunden worden waren. Wenn Chiyeol Alejandro zu seiner Kunst machte, dann machte Alejandro Chiyeols Kunst zu seinem Geschäft und diesen Moment zu etwas, das ausgekostet, lang gezogen, nicht übereilt gehörte.
Auf eigenen Füßen stehen, das war es doch, was sein Vater sich von ihm erhofft hatte. Verantwortung zu übernehmen. Zu beweisen, dass er mehr als der Junge war, dessen Scherben man hinter ihm wegräumen musste.
Jetzt schien es so, als wären es Alejandros Hände, die ihn erst spüren ließen, dass er echt war.
Maksim Fedorov war hingegen schön, weil er stark war und Sicherheit bot und weil er nun einmal einen Namen hatte, während der von Eliyas wie entliehen wirkte, unwichtig im Vergleich zu dem seinen. Für Eliyas war er natürlich auch noch schön, weil seine Hände schön waren. Weil Eliyas gern die Worte wäre, die Maksim schrieb. Weil er gern der beste Freund sein wollte, den Maksim verdiente, und den Eliyas ihm mit seinem Verhalten nur immer und immer wieder vorenthielt.
Für Chiyeol waren die Narben wunderschön, für Alejandro waren sie einerlei. Ballast, den er trug, über den er sich nur beschwerte, wenn die Schmerzen Überhand nahmen. Der Profit, den er aus ihnen zog, war zu groß, um ihre Anwesenheit zu beweinen. Aber noch nie war er so zufrieden mit den Narben gewesen, wie in dem Moment, als Chiyeol sie berührte und mit seinem verräterischen Lob und seinen schmutzigen Händen zu geweihtem Boden machte.
Müsste er einem Menschen seinen Untergang anvertrauen, dann wäre dieser Mensch Chiyeol Byun.
Sie hätte das Rotkäppchen nicht herbringen müssen, sie einfach im Wald zurücklassen oder den Weg nach Hause zeigen können, doch irgendeine innere Stimme hatte sich nach Gesellschaft gesehnt, so bizarr und traurig dieser Umstand auch sein mochte. Manchmal brauchte man mehr als die eigenen Gedanken, die Stimme des Familiars und die Wörter völlig fremder auf den Seiten eines Buches um bei Verstand zu bleiben.
Die Narben an seinen Armen waren noch dünn, nur Ausläufer des Gewebes, das sich über seine Schulten spannte, von links und rechts langsam aber sicher wie Hände über seine Rippen zu wachsen begann. ”What about my art? Does it appall you?”, raunte Alejandro. Mit einer Hand betastete er beiläufig eine der zwiebelnden nekrotischen Narben an seiner Rippe, bevor er eine Hand nach Chiyeol ausstreckte, dem Künstler, dessen Finger er auf sich wissen wollte.
Heute würde es Chiyeol sein, der sein Leben in die Hände des anderen legte, indem er mit ihm weiter über die unsichtbare Grenze des Casinos trat, ungeachtet der Tatsache, dass Alejandro hier jedes Recht darauf hatte, den Byun zur Gänze zu vernichten, ihn in den Flammen seines eigenen Wahns ersticken zu lassen. Noch nie war es dem Künstler so verlockend erschienen, an seiner eigenen Kunst zugrunde zu gehen.
Wenn Levin Falkenrath seine Zeit an Adamas als eines verstand, dann vor allem als Eroberung. Freundschaften wurden nicht geknüpft, sondern politische Allianzen gebildet. Er bewegte sich nicht durchs Schloss, sondern rückte vor, und der schulische Alltag wurde seiner Meinung nach nicht vom Erlernen des Schulstoffes und der Kontrolle über seine Magie geprägt, sondern davon, wie viel Chaos er stiften konnte
Er hatte den Tischler bereits oft genug neue Sorten probieren lassen und dann sein Gesicht auf der Suche nach einer passenden Reaktion studiert. Somit wusste er auch, dass Benjamin Schofield alles trank und nichts hasste, außer wenn Teewasser zu heiß war. Er war ein Banause, was das betraf, und Bär fasste dies nicht länger als Beleidigung auf. Was vermutlich dafür sprach, wie schnell er dem Mann erlaubt hatte, von ihm gemocht zu werden.
Der Krieg war vorbei und er war es auch nicht, weil es keinen Unterschied zu machen schien, dass Benjamin sowohl ihn als auch Kairo und die abscheuliche Uniform hinter sich gelassen hatte - er konnte sie noch immer spüren, als hätte sie sich in sein Wesen gebrannt, als wäre das eine nicht mehr vom anderen zu trennen, als würde es nicht mehr den Krieg dort draußen und ihn hier drinnen geben, sondern nur noch Benjamin und der Krieg.
Eine unverfängliche Berührung, die sich doch nicht so anfühlte — nicht einmal für Bär, dessen Pranken doch zum Trösten gemacht waren; so viel weicher, als sie den Anschein machten. Mehr Tatze als Kralle.
Wie sollte er dem anderen Mann in die Vergangenheit folgen, wenn er doch nicht wirklich verstand, wie massiv das Kriegsgebiet war, dessen Geister aus dem Boden von Schofields Bewusstsein stiegen wie Nebelschwaden aus den Wiesen; wie schwielig und aufgeplatzt die Haut an den Händen war, die sich nach ihm ausstreckten und ihn in seinen Träumen noch erwürgen wollten?
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