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Ja, mit Sicherheit wäre es nun das Vernünftigste gewesen, wenn Maksim Fedorov aufgestanden und in die nächste Bar gegangen wäre, um sich dort eine ebenso vernünftige Frau zum Heiraten zu suchen, mit ihr in eine ähnlich hässliche Stadtvilla zu ziehen, wie Agnessa es getan hatte, und sich der Gestaltung der Kinderzimmer zu widmen.
Es war absolut nichts Falsches dabei, seinen besten Freund auf die Wange zu küssen. Vielleicht war das nicht unbedingt etwas, was man täglich und einfach so tat (außer man hieß Rousseau und zählte dies zu einer anständigen Begrüßung hinzu), aber letztendlich war ein Kuss auf die Wange doch auch kaum mehr als ein kräftiger Handschlag.
Niemals würde sie es wagen, Katya oder gar Nikolay auf die gleiche Weise anzusehen, wie ihn. Die Ältesten betrachtete sie mit Stolz, die Jüngsten bedachte sie in geduldiger Erwartung. Nur ihn, nur Maksim sah sie an, als würde es sie mit großem Bedauern erfüllen, ihn ihren Sohn nennen zu müssen.
Obwohl der Wintereinbruch noch längst nicht vor der Tür stand, zog ein eisiger Wind durch die Stadt der Weißen Nächte. Maksim kannte diesen Wind, kannte ihn wie ein Kind die sanfte Hand seiner Mutter auf der eigenen Wange kannte.
Es war so typisch für sie, sich für jedes gesprochene Wort zu entschuldigen, dass es Maksim nicht überrascht hätte, wenn sie dies auch für jeden zu lauten Atemzug tun würde. ”Hör auf damit”, entwich es ihm deshalb etwas schroff, dabei waren seine Worte eigentlich gut gemeint. Sie musste sich nicht entschuldigen. Außer vielleicht dafür, dass sie ausgerechnet Arturo D’Ambrosio geheiratet hatte, aber das war ein Thema für einen anderen Moment, einen anderen Tag.
Aber Maksim war Maksim. Er interessierte sich nicht für das ansehnliche Stadthaus mit dem gepflegten Garten und er wollte auch nicht wissen, wie viele Zimmer sie bereits für zukünftige Kinder vorbereitet hatten, weil er dabei nur hoffen konnte, dass keines von diesen Arturos hässliche Nase erben würde.
Selbst jetzt wollte er nichts mehr, als sich Eliyas’ Nähe gewiss sein. Er wollte sich von seinem Lachen einlullen lassen, wie von einem Schlaflied, und sich an Worte klammern, die ihm nicht zustanden und die man ihm niemals widmen würde
Klar war nur, dass die Wahrheit sich selbst im Angesicht der heutigen Katastrophe nicht zu offenbaren wagte, als wäre ein Eingeständnis noch viel verheerender, als der Terror, welcher in der Taschendimension Einzug gefunden hatte.
Um ehrlich zu sein traute Maksim ihr durchaus zu, derartig desinteressiert an ihrer Umwelt zu sein, dass ihr gar nicht auffiel, was um sie herum geschah, sofern es ihr nicht die Frisur zerstörte, aber es war noch immer sein Vater, von welchem sie dort sprach. Czar Fedorov. Dieser Mann würde lieber die Redaktion des Beluns anzünden, als sich mit einer Selena Summerset sehen zu lassen. Zumindest war es das, was Maksim bisher geglaubt hatte. Und gehofft.
Eliyas war nicht da gewesen und doch hatte jede Ecke seinen Namen geschrien und jeder Schatten sein Gesicht getragen.
Maksims Herz war nicht dafür gemacht, für fremde Hände und sanfte Worte. Es war wie eine Welle, die an einem Fels zerbrach, rau und ungestüm in ihrem Drang, sich selbst jedes Mal mit etwas mehr Wucht zu zerstören.
Maksim Fedorov war immun gegen Schwärmereien. Kein Mädchen schien das gewisse Etwas zu besitzen, um sein Interesse zu wecken. Er verliebte sich nicht.
So berührt zu werden, mit solch einer Vorsicht, hatte sich schon immer falsch für ihn angefühlt; als wäre es anmaßend von ihm, sich in etwas anderes als blanke Gewalt zu stürzen.
”Glaub ja nicht, dass meine ‘Dienste’ kostenlos wären”, nuschelte er mit der Zigarette zwischen den Lippen und nun gänzlich ins Russische abschweifend, womit er jedoch nur das Feuer meinte, nicht das, was er in der Haupthalle getan hatte.
Eine Erinnerung aus der Schulzeit: sie beide, 17 Jahre, und Maksims Faust, welche Bekanntschaft mit ihm macht. Noch ehe sein Schlag traf, war dort endlich ein Name.
Mudan.
Die Welt verschwamm in einem einzigen Rauschen, ein Gemisch aus Stimmen, Gesichtern und Rauch [...]
”Vielleicht hat sie sich ja verändert”, warf Koshka bei dem Gedanken dazwischen, aber Maksim bezweifelte doch stark, dass die Summerset über die vergangenen Jahre plötzlich gelernt hatte, ihr Gehirn zu benutzen und seinen Vater mit ihrer sagenumwobenen Intelligenz zu beeindrucken.
Niemand mit dem Namen Fedorov war so weit von Eleganz entfernt, wie Maksim es war.
Eliyas hatte einfach ein Talent dafür, einen vergessen zu lassen, wie sehr man sich selbst eigentlich verachtete.
Aber am Ende waren diese Wörter … noch immer nichts weiter als Wörter. Sie mochten sich bis auf die Netzhaut des Fedorovs gebrannt haben und ihn teilweise bis in den Schlaf verfolgen, doch sie würden weder Eliyas zurück nach Stellans noch zu ihm bringen können.
Aber ehe er diese Frage tatsächlich über die Lippen bringen konnte, war sie es, die sich nun mit einem hämischen Grinsen im Gesicht darüber erkundigte, warum es ausgerechnet er war, der sie begleiten durfte.
”Um dein Gesicht auszugleichen, haben wir gesagt, dass der mit dem schönsten gehen muss - und ich hab leider gewonnen.”
Maksim hatte Mist gebaut. Auch wenn er sich der genauen Ausmaße noch nicht bewusst war, konnte er es in den minimal in die Höhe gezogenen Mundwinkeln seines Vaters sehen, die dazu gemacht worden waren, Welten zu zerstören.
Aufrecht, als würde er sich nicht viel lieber trotz seiner langen Beine so klein wie möglich machen wollen, lehnte er sich mit dem breiten Kreuz gegen die Rückenpolster und widerstand dem Drang, dem Blick seines Vaters auszuweichen. Nikolay wäre ihm nicht ausgewichen.
Oh, ja, wie konnte der Fedorov ihm das nur antun. Er sollte sich wahrlich schämen und am besten um Vergebung flehen, indem er ihm schwor, für den Rest seiner Tage sicherzustellen, dass auch ja kein hässlicher Fussel auf seinem Anzug zu finden war oder seine Schuhe an Glanz verloren, denn wer wusste schon, in was für eine Trauer Eliyas verfallen würde, ohne seine persönlichen Speichellecker an seiner Seite.
Er konnte sich die Nächte in irgendwelchen Spelunken von Stellans um die Ohren schlagen, sich wortwörtlich mit anderen schlagen und einen Rekord aufstellen, wenn es darum ging, in möglichst kurzer Zeit Unmengen an Whiskey seinen Rachen hinab zu kippen - wenn ihn die Morgendämmerung zurück in das Anwesen der Fedorovs schwanken ließ und er die endlos erscheinende Treppe hinauf erklommen und es bis in sein Zimmer geschafft hatte, verirrten seine Gedanken sich dennoch immer wieder zu Eliyas.
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