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Sie sollte sich bewusst sein, dass er ein Fremder war. Denn er wollte nicht länger der ihr hinterher hechelnde Hund sein – diese Rolle füllte mittlerweile, da war er sich sicher, Cillian Vaughn aus.
James schwieg sich über ihren offensichtlichen und doch unsichtbaren Begleiter aus, aber sein Schweigen war tatsächlich anders gefärbt als früher. Ihm wohnte keinerlei Vorsicht mehr inne. Es war penetrante Wortlosigkeit, zu Härte geformt, lauter als ein Schrei es wäre.
Nun, da er ihre Stimme nach Jahren wieder vernahm, verspürte er einen lodernden Hass auf ihren perfekten Klang. Und Verachtung für die Zärtlichkeit, die jener in ihm weckte. Selbst wenn er Margot D'Ambrosio zürnte, erkannte sein Inneres in ihr noch immer die Heilige, in deren Gunst er stehen wollte. Die Muse, nach deren Kuss er sich verzehrte.
Aber kein Gebet hatte ihr Jamie zurückgebracht. Und keine Demut, keine Nächstenliebe und keine Barmherzigkeit ließ sie verzeihen, was er ihr angetan hatte.
Melchior Bonfe war stets um Höflichkeit bemüht, aber in diesem Augenblick wurde seine Stimme scharf, sein Ton so beleidigend, als wäre er furchtlos. Nicht einmal er konnte Ravi Sharma ertragen, selbst wenn er es hasste, dass der andere anscheinend keine andere Sprache als die der Respektlosigkeit verstand.
Es war Herbst, als er selbst das erste Mal wahrhaftig zu spüren bekommen hatte, wie es sich anfühlte, zu sterben, und Herbst, als ihn das Brennen in jeder Faser seines Körpers daran erinnert hatte, dass er doch noch lebte.
Ein Blick auf Benjamin Schofields Gesicht reichte aus, um diesen Eindruck zu bestätigen. Wobei dessen Augenringe zugegebenermaßen kein ungewöhnlicher Anblick waren. Der Mann sah seit Wochen aus, als hätte er kein Auge zugetan. Obwohl Gabriel ihn nie in einem anderen Zustand erlebt hatte, begann ihn dies langsam aber sicher mit Besorgnis zu erfüllen. Ob Benjamin es als aufdringlich empfinden würde, wenn man ihm einen Schlaftee empfahl? Lavendel, Melisse, Baldrian …
”Ahh … ja. Apropos Maksim … Er ist heute nicht zufällig mit dir hier? Nur damit ich mich nicht unnötig erschrecke, falls er doch noch aus der nächstbesten Torte rausspringt und mich begrüßt, weil er mich sooo sehr vermisst hat. Hmph.”
Aber es war schwer, nein zu Mira zu sagen, wenn nicht sogar unmöglich — Bär wusste das nur zu gut. Ihr einen Wunsch abzuschlagen, war wie freimütig einem Schmetterling die Flügel auszureißen.
Früh am Morgen hat man es beim Ernten am Ruhigsten. ”Bei dem Wetter vermutlich erst recht”, rutschte es Benjamin dann im unverständlichsten Brummie-Akzent über die Lippen, ehe er mit einem Räuspern den Blick von Gabriel abwandte und flüchtig an der Straßenbahnstation entlang wandern ließ.
Vielleicht war Margot nur für das schöne Leiden geschaffen, für die süße Melancholie, für die perlenden Tränen … nicht aber für das, was das jahrelange Warten auf James Rückkehr aus ihr gemacht hatte.
Eliyas war ein gutaussehender Mann, in der Blüte seines Lebens, mit einer guten und aussichtsreichen Karriere, das Herz irgendwo am rechten Fleck. Also alles in allem ein Mann, der für Katya nicht wirklich von Interesse war.
”Du darfst das nicht.” Sie durften nicht einfach die Uniform eines anderen Hauses tragen. An diese Regel hatten sie sich zu halten, so wie sie sich auch an alle anderen Regeln der Akademie halten mussten … und es doch ganz offensichtlich nicht taten, weil sie nun eigentlich beide im Unterricht der Direktorin sitzen sollten.
Sie redete sich sogar ein, dass sie ihren Schulabschluss nur aus diesem Grund vermasselt hatte. Um anders als Pavla zu sein. Anders, aber eindeutig nicht besser.
Was Maksim von ihr hielt, war ihr hingegen so ziemlich egal. Er kannte sie nicht, und sie ihn nicht. Und dieser Distanz wohnte eine gewisse Sicherheit inne, denn so vermochte das Urteil ihres Bruders sie auch nicht zu verletzen. Ob sie es insgeheim vermisste, ihren älteren Geschwistern nahe zu sein, versuchte sie selbst nicht zu erörtern – wer wusste, was für Abgründe sich dann in ihrem Inneren auftun würden.
”Ich bin aber nicht froh über seine Wut. Ich will, dass er sich entschuldigt. Ich will, dass er aufhört, sich so anzustellen und mir das Gefühl zu geben, ich sei ein schrecklicher Freund. Ich will …” Er beendete den Satz nicht, sondern presste nur noch einmal die Lippen aufeinander und zuckte mit den Schultern. Er wollte so vieles, und doch gab es von diesem Vielen genug, was unaussprechlich war und es auch bleiben würde.
Vielleicht sollte sie ihn einmal mitbringen und es hinter sich bringen, immerhin war Ruben selbst Italiener, er kannte Sonntagsessen sicherlich. Schade das er kein Franzose war, dann wäre es wohl halb so wild, dass er sich kaum in die Familie integrierte.
Obwohl sie am liebsten ein Besteckstück nach dem anderen gegen die Wand wegen seiner Affäre werfen wollte, schob sie den Gedanken in die hinterste Ecke ihres Kopfes. Jetzt schob sie ihre Trauer dorthin. Ihre Gefühle konnten dort verrotten, wenn es nach ihr ging. In dieser lästigen Ecke, die sicher so mintgrün wie ihre Küche war.
”Vielleicht hat sie sich ja verändert”, warf Koshka bei dem Gedanken dazwischen, aber Maksim bezweifelte doch stark, dass die Summerset über die vergangenen Jahre plötzlich gelernt hatte, ihr Gehirn zu benutzen und seinen Vater mit ihrer sagenumwobenen Intelligenz zu beeindrucken.
Das war seine Frau. Und diesen stolzen, angeberischen, machomäßigen Gedanken hatte er auch in den Momenten, in denen der Haussegen vermeintlich schief lag. Völlig egal wie enttäuscht Lissandra von ihm war, selbst ihre Enttäuschung gehörte ganz allein ihm und er hoffte zumindest, dass sie sich niemals von ihm abwandte, ihm auch ihre unerbittliche Treue gehörte.
All das beobachtete Balthazar argwöhnisch, auch wenn er währenddessen mit hochgezogener Augenbraue nach dem Tiramisu griff und sich ungeduldig den Nachtisch auf den Teller mit den Pastaresten schaufelte. Balthazar war ein simpler Mann…
Kurz fror Balthazar in seiner Bewegung ein, der Löffel mit dem Tiramisu blieb kurz in seinem offenen Mund schweben, ehe er ganz langsam weiteraß. Ausnahmsweise hatte er einmal ohne Puzzola verstanden, dass Lissandra gerade auch gegen ihn stichelte.
Eine Heirat zwischen Teresa und Ruben würde diesen eigentlich in diesen Kern aufnehmen. Sobald er seiner Schwester den Ring an den Finger steckte, war er offiziell ein Teil der Familie. Aber bisher hatte Balthazar keinerlei Bindung zu dem bärtigen Schönling. Seine Meinung war bisher zudem noch nicht sonderlich hoch; selbst Alfonso war skeptisch – für ihn roch Ruben einfach zu gut.
Von Katya erhoffte er sich vielleicht keine verständnisvolle Schulter zum Ausweinen, weil das überhaupt nicht in das von ihr erweckte Bild passen würde, aber er glaubte doch, dass sie ihm zumindest eine Chance geben würde. Sie würde ihn anhören. Und wenn sie ihn dann als Idioten und Schuldigen betitelte … läge sie eben auch falsch.
Es war nicht schön, Eliyas zu sehen. Er hatte Eliyas nicht vermisst.
Das Lächeln auf Maksims Lippen sah so unecht aus, und doch so ekelhaft verletzend, die bloße Existenz eine Beleidigung, dass es Eliyas die Sprache verschlug. Und wäre es nicht das Lächeln gewesen, dann die Wiederholung der Worte, die alles gewesen waren, was Eliyas hatte hören wollen. Nur dass die Art und Weise, wie Maksim sie höhnisch hervor spie, deutlich aufzeigte, dass sie nicht ehrlich gemeint waren.
Wie leicht ihre Streitigkeiten abzuwenden wären, wenn Maksim nur sagen würde: Ich weiß, dass das nicht stimmt. Ich kenne dich. Ich kenne dich, Eliyas. Ich weiß, dass es dir nicht egal ist, dass wir dir nicht egal sind. Doch derlei Worte wurden bereits davon unmöglich gemacht, dass sie einander seit Adamas kaum noch beim Vornamen nannten; nur in betrunkenen, seltsamen Momenten war das noch vorgekommen. Und nun würde es das nie wieder. So war es eben nun einmal.
„Guten Tag Polina“, sagte sie, mit einem Räuspern in der Stimme und auf sie zugehend, um einen kurzen Gruß dazulassen und dann wieder ihres Weges zu gehen. Das erinnerte sie an die Geburtstagsfeier ihres elendigen Schwagers in wenigen Wochen. Möge die Pest ihn vorher ereilen und ihre Schwester endlich ihren Frieden vor dieser Ehe und wieder zu sich selbst finden.
Aurora freute sich für Margot, dass sie endlich einen Mann gefunden hatte, der ihr die egomanen Star-Allüren verzieh, wenn er sie nicht sogar zu schätzen wusste.
Zedekiah Hewley trat gerade zwischen den Streben der Bühne hervor, das Gesicht so markant, dass Eliyas ihn sofort erkannte, obwohl sie während der Schulzeit nicht befreundet gewesen waren. Dennoch erinnerte er sich sehr genau daran, wie Zed Selena stets hinterher gedackelt war. Mal abgesehen davon, dass Eliyas Katz ein ansehnliches Gesicht niemals vergaß.
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