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”Ich weiß, dass das eigentlich nicht zusammenpasst, aber …” Niemand brauchte einen nicht-magischen Tischler in Stellans. ”Ich trinke gerne Tee”, und wenn das kein Argument dafür war, dass er der perfekte Mann war, um in einer Teestube zu arbeiten, dann wusste er auch nicht weiter.
Und für einen Augenblick sah er selbst überrascht drein, weil ihm klar wurde, dass er das zum ersten Mal gesagt hatte. Meine Tochter. Mira war seine Tochter. Er war ihr Vater.
Bär bevorzugte das Dasein als stiller See, während der Mann vor ihm schien, als sei er ein schneller Strom, der kleinere wie auch größere Steine mit sich riss und bei schlechtem Wetter anschwoll und über die Ufer lief, alles mit sich reißend.
Teresa war eine selbstständige Frau, doch der Bruch mit der Famiie…der übrigen Familie, wäre wie das Salz in der Wunde, gebrochene Spagetti und Ananas auf einer köstlichen Pizza. Eine Schande.
Ein zartes Pflänzchen konnte einem anderen zarten Pflänzchen niemals beistehen. Das würde nur in Tränen und ohne Lösungen enden. Agnessa musste lernen, mehr als nur ein zartes Pflänzchen zu sein, sonst würde Arturo sie noch weiter aus dem Boden reißen und entwurzeln. Agnessa musste lernen, etwas mehr wie Katya zu sein.
„Agnessa, du brauchst unbedingt einen neuen Kleiderschrank. Du verschwindest ja förmlich in dieser Farbe.“ Ihr war bewusst, dass das wohl genau Agnessas Vorhaben war. Aber die ältere Schwester hatte sich vorgenommen, das Mädchen aus ihrem Schneckenhaus hervorzulocken.
„Fangen wir dem Sticheln schon an, bevor Vater überhaupt im Raum ist?“ Ihre Stimme theatralisch tadelnd, aber offensichtlich Nikolajs Ton imitierend.
Doch so stand sie nur da und dachte nach, was eigentlich unheimlich großzügig von ihr war [...]
Stattdessen hatte er von Maksim eine übergezogen bekommen. Stattdessen hatte er seinen besten Freund verloren — oder eher hatte Maksim ihm die Freundschaft gekündigt, hatte ihm geklaut, was rechtmäßig Eliyas zustand, wie als wäre ihre Freundschaft auf einem Geschäft begründet, das sie noch in Windeln getätigt hatten.
”Sorry, hab das Abend—Abendessen… verpasst”, stammelte er immer leiser werdend vor sich hin, als müsste er sich erklären, während sie ihm noch immer entgegen starrte. Oder vielmehr durch ihn hindurch. War er vielleicht doch endlich unsichtbar geworden? Prüfend ließ er den Blick an sich selbst hinab wandern und stellte unweigerlich fest, dass er leider noch immer schrecklich existierend aussah.
Besser wäre noch gewesen, sie wären alle nach ihrer Mutter geschlagen; willensstark und erfolgreich, aber auch kalt wie der russische Winter. Hauptsache, sie kamen nicht nach Agnessa.
Sie musste ihn zu Beginn für einfältig gehalten haben. Dieses Vorurteil hatte er schon oft gehört. Oder aber Menschen fanden ihn faszinierend, weil er den „American Dream“ aufgegeben hatte. Für den Magier schien das Leben hier ein besserer Traum zu sein.
Aber so wie Maksim aussah, bezweifelte er, dass eine Frau ihn in seine Nähe gelassen hätte, mal von einer Prostituierten abgesehen. Aber selbst jene besaßen Standards, zumindest Eliyas’ Auffassung nach.
Katya, genauso wie der Rest der Familie, war kein Unmensch und nicht gefühlstot. Sie liebte ihre Geschwister, völlig egal, ob sie ihnen manchmal in Gedanken den Hals umdrehte oder gerade in ihrer Zeit als Ballerina wochenlang nichts von sich hören ließ, weil sie sich lieber im Bolshoi-Theater abgerackert hatte, fernab der Familie, ausgelassen und zügellos, und gleichzeitig verletzt und weggeworfen wie ausrangierte Ballettschuhe.
Sie tippte einfach darauf, dass es das war, dass Eliyas ihr am Tag zuvor erzählt hatte. Auch wenn sie Maksims Reaktion auf so eine Unsinnigkeit ziemlich heftig fand. Aber sie wollte es aus seinem Mund hören, nur damit sie ihn danach mit einem Fingerzeig auslachen konnte.
Er war schon immer Experte darin gewesen, sich ausgerechnet nach der Nähe zu sehnen, die von einer zur Faust geballten Hand gebracht wurde. Sie schmeckte zu gut; sie fühlte sich an, wie als müsse er sie sich nicht erst verdienen; sie gehörte ihm, ohne dass er etwas dafür tun musste. Sie war die einfachste Form der Zuneigung, und von Maksim war sie momentan vermutlich alles, was er zu erhalten hoffen konnte.
Maksim hatte Mist gebaut. Auch wenn er sich der genauen Ausmaße noch nicht bewusst war, konnte er es in den minimal in die Höhe gezogenen Mundwinkeln seines Vaters sehen, die dazu gemacht worden waren, Welten zu zerstören.
Aufrecht, als würde er sich nicht viel lieber trotz seiner langen Beine so klein wie möglich machen wollen, lehnte er sich mit dem breiten Kreuz gegen die Rückenpolster und widerstand dem Drang, dem Blick seines Vaters auszuweichen. Nikolay wäre ihm nicht ausgewichen.
Katya nahm wieder ihren Flachmann in die Hand, nahm einen Schluck, und legte dann – Maksim immer noch eindringlich musternd – den Kopf schief. Bis auf seine Haarfarbe war Maksim wirklich nicht sehr helle.
So mancher hätte seine Angst sicherlich auf den Mann geschoben, welcher vor ihm stand und so breit gebaut war, wie ein Bär, welcher einen innerhalb kürzester Zeit mit seinen Pranken in zwei reißen konnte, aber Benjamin hatte schon schrecklichere Dinge gesehen, als einen Mann, der zum Frühstück eine ganze Bäckerei verputzen konnte.
Eine gefühlte Ewigkeit saß er dort, dann sammelte er sich, suchte nach ein paar Flaschen Wein und verließ die Wohnung wieder. Und als er den Park erneut betrat, man ihn laut johlend fragte, wo er den Fedorov gelassen habe, dämmerte ihm, dass Maksim nicht gelogen hatte. Natürlich nicht, wie naiv von ihm, das zu glauben! Maksim Fedorov hatte nicht gelogen, als er sagte, er wolle ihn nie wiedersehen.
Es war nicht so, wie Maksim dachte. Eliyas waren seine Freundschaften heilig, Maksim war ihm heilig, aber die Anstrengung, die es ihn kostete, nicht damit herauszuplatzen, dass er nie richtig geliebt hatte, nur hoffnungsvoll und verquer, im Glauben, er könne dadurch jeglichen Gedanken an Maksim abschütteln, verhinderte dass er überhaupt etwas sagen konnte.
Maksim Fedorov machte in diesem Augenblick vor allem eines deutlich: Er wollte in den Ring steigen und sich wahrhaftig prügeln; er wollte ihn mit sich in einen Sumpf ziehen, von dem Eliyas, der stets vornehmer tat als er seiner Herkunfts wegen war, sich abgestoßen fühlte.
Eine stumme Hoffnung regte sich auch jetzt noch in Eliyas — egal, wie unsinnig es auch war, hoffte er, dass Maksim doch noch lachte und alles wieder wie immer wäre. Oder vielleicht hoffte er auch, sie könnten sich beide am Riemen reißen und so tun als ob es das wäre, auch wenn die Wahrheit wie stinkender Schwefel in der Luft lag.
Oh, ja, wie konnte der Fedorov ihm das nur antun. Er sollte sich wahrlich schämen und am besten um Vergebung flehen, indem er ihm schwor, für den Rest seiner Tage sicherzustellen, dass auch ja kein hässlicher Fussel auf seinem Anzug zu finden war oder seine Schuhe an Glanz verloren, denn wer wusste schon, in was für eine Trauer Eliyas verfallen würde, ohne seine persönlichen Speichellecker an seiner Seite.
Er konnte sich die Nächte in irgendwelchen Spelunken von Stellans um die Ohren schlagen, sich wortwörtlich mit anderen schlagen und einen Rekord aufstellen, wenn es darum ging, in möglichst kurzer Zeit Unmengen an Whiskey seinen Rachen hinab zu kippen - wenn ihn die Morgendämmerung zurück in das Anwesen der Fedorovs schwanken ließ und er die endlos erscheinende Treppe hinauf erklommen und es bis in sein Zimmer geschafft hatte, verirrten seine Gedanken sich dennoch immer wieder zu Eliyas.
Katya war also wieder in Stellans. Interessant aber nicht interessant genug, um ihm mehr als einen kalten Spruch zu entlocken: ”Und? Hast du ihr zur Begrüßung auch eine übergezogen?”
”Unerhört. Die können es sich wohl leisten”, erwiderte Jamie leidenschaftslos auf die Aussage seiner Schwester die Hudsons betreffend. Er konnte sich nicht für das Geschwätz der Nachbarschaft begeistern, auch wenn er aufgrund von Loris detaillierten Geschichten über Familien wie die Hudsons oder Ehepaare wie die Bellingtons gezwungenermaßen stets gut informiert war.
Seit Wochen wollte James seine jüngere Schwester schütteln, wollte ihr dieses perfekte Lächeln aus dem Gesicht wischen, damit sie zugab, dass sie ihn nicht wiedererkannte und dass er verändert war und dass einfach nichts an ihm mehr in ihr Leben passte. Aber er tat es nicht, sondern quälte sie beide damit, dass er genauso sehr wie sie tat, als wäre überhaupt nichts.
Ja, das hier war ihre ganz eigene Hölle. Eine Hölle mit weißen Theken und Schränken, mit klassisch mintfarbenen Absetzungen an den Rückwänden der Küchentheken und dem Türrahmen. Die meisten Nachbarn hatten ähnliche Küchen. Es war gerade in Mode. Aber manchmal machte sie das Mintgrün wahnsinnig.
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