Alle Inplayzitate
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Wie damals, als Theo das erste Mal ihre Hand genommen und sie an seine Lippen geführt hatte, damit sie das gesprungene, rissige Fleisch mit ihren Fingerkuppen betastete, sich verboten und wild fühlend, machte auch Oswin Cresswell sie mit seinem Blick allein ganz still. Und dann in dieser Stille wütend, ihr Wind presste gegen den Moment, wollte alles umreißen, das in diesem Zimmer nicht niet- und nagelfest war. Als wäre sie mehr Naturgewalt als junge Frau.
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Als sein fiebriger Blick ihren suchte, wollte sie sich über die Wangen, den Mund wischen, als würde sie ein Erlebnis abschütteln müssen. Als läge in dem Fieber, das seinen Blick verzerrte, eine unsittliche Traumwelt, in die er sie mit seiner bloßen Aufmerksamkeit zog.
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Ihre Nasenflügel bebten, so kurz war sie davor, ihm einen Verstummungszauber auf den Hals zu jagen. Aber obwohl ihre Augen dunkel wurden, ihr Blick stählern, mit jedem seiner Worte mehr, verhexte sie ihn nicht, sondern schleppte ihn weiter. "No flying today, soldier", sagte sie schließlich.
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Seine Stimme erweckte etwas Ungezähmtes in Velma, das ihn offen einen Idioten schimpfen wollte. Etwas Wildes, das ihn hier liegen und verrecken lassen könnte, wenn sie es nicht unter die Oberfläche verbannte; wie Erinnerungen, die einen beschämten, aufwühlten, aus der Apathie rissen.
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Denn würde Theodores Gesicht nicht ständig in Scheiben auftauchen, ihr aus den freudlosen Mimiken von Fremden entgegen blicken, ihr regelrecht auflauern, und würde sie ihn nicht ebenso unbeholfen wie auch stoisch weiter lieben, könnte sie sich vielleicht besser auf ihre Arbeit konzentrieren. Und somit auch auf das, was ihre Eltern so hoch hielten.
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Ihre eigenen Illusionen trieben sie fort von ihren Pflichten. Ihre Fantasie wollte, dass sie in den Tag hinein träumte, sich in den Schlaf dachte, in die Arme eines Toten.
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"Mister Cresswell?" Sie bemühte sich. Aber ihre Stimme war trotzdem klein, wie als würden die Hände ihrer Scham sie niederdrücken.
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Für einen Moment war sich Velma nicht sicher, ob die Frau sie durch die Tür lassen würde, aber dann machte sie ihr doch etwas Platz, auch wenn sie ihr einen Blick von oben nach unten schenkte, als erwartete sie, dass Velma Lamb im nächsten Augenblick ihren Rock hob und ihr ihre Unterwäsche zeigte.
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Theo. Immer wäre das was-wäre-wenn Denken, das sie mit ihm in Verbindung brachte, wie ein Knochen, der nicht richtig zusammenwachsen wollte. Auf ewig verwundet.
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Schlimmer als das, flammte Zorn in ihr auf. Oswin Cresswell hätte gar nicht erst zu ihr radeln sollen, nicht in seinem Zustand. Was hatte er sich dabei nur gedacht? Wie konnte man so verbohrt sein und sich weigern, sich den Sanari anzuvertrauen? Nur, weil man Angst vor Morphin hatte? Theo wäre niemals so idiotisch gewesen.
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Die um einen Korb verkrampften Finger fühlten sich klamm und schwer an, denn der aufschwemmende Regen, der die Wiesen unter Wasser gesetzt hatte, hing näher am Zentrum Stellans' weiterhin in der Luft. Als würde er darauf warten, weggeatmet zu werden; getrunken von Lungen, von Haut, von Leibern.
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Niemandem außer Theodore hätte sie es erlaubt, sie derart zu durchschauen. Niemand hätte es gewagt. Es verstörte sie, dass die Erinnerungen an Theodore ihre Realität bemalten wie Wasserfarbe, durchs Papier drückend. Dass sie selbst Oswin Cresswells Anwesenheit zu etwas verformten, dem sie sich ausgesetzt fühlte wie ein Tier.
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Velma ignorierte ihn und schenkte Oswin Cresswell stattdessen einen Blick, als hätte er ihr mit seinen Worten gerade bestätigt, dass er leider Gottes ein Idiot war.
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Jede Anekdote, die sie von sich preisgab, war ihr wie eine Seite in einem Buch, die sie jemandem anvertraute. Wie private Zeilen, die sie verschenkte.
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Der Bock hatte nämlich angefangen, ihn lautstark vollzublöken, sich nur für Velma verständlich darüber aufregend, dass man Arvin ja kaum noch zu Gesicht bekam und er wohl vergessen hatte, was für ein toller Ziegenbock er, Hamlet, war.
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Es war die kerzengerade Haltung, der verknotete Ausdruck auf dem Gesicht, die Verspanntheit in den Augen, die einen nie mehr ganz ansahen, die sie an Theodore, wie er während des Krieges bei Heimatbesuchen gewesen war, erinnerten. In dem Sinne war Oswin Cresswell anderen Soldaten, die ihre Gartenstube aufsuchten oder Apotheke um Apotheke abklapperten, ähnlich. Sie trugen nicht alle das gleiche Gesicht, aber in ihren Augen stand der gleiche Horror geschrieben.
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"Ich wollte gerade die Tür abschließen", erklärte sie milde, bevor sie Hamlet mit einem Stirnrunzeln rügte: "Jetzt lass ihn doch in Ruhe." Der Bock hatte nämlich angefangen, ihn lautstark vollzublöken, sich nur für Velma verständlich darüber aufregend, dass man Arvin ja kaum noch zu Gesicht bekam und er wohl vergessen hatte, was für ein toller Ziegenbock er, Hamlet, war.
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