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Sie waren nicht nur Freunde, weil sie in ultimativer Nähe zueinander aufgewachsen waren und sich im gleichen Alter befanden, sondern weil die unausgesprochenen Worte des Fedorovs immer in Eliyas nachgehallt hatten, und das schon von jungen Jahren an.
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Das war es zumindest, was Eliyas wortlos annahm. Dass dies eine Rettung war. Dass er durchatmen konnte. Dass sich die Welt wieder ein Stück weit zurechtrückte, die Krawatte ordentlich zupfte, während alles andere um sie herum zu Grunde ging.
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”Er hat die ganze Zeit nach dir gesucht”, sagte Eliyas kehlig. Seine Augen brannten, seine Hände zitterten, so sehr wollte er nicht zugeben, dass er sich auch selbst meinte, nicht nur Koshka.
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Stellans war der sicherste Ort der Welt. Oder zumindest sollte er das sein. Und doch hatte der heutige Tag bewiesen, dass sie sich einer Illusion hingegeben hatten — und niemanden, der Eliyas kannte, dürfte es verwundern, dass ihn das Zerplatzen dieser idealistischen Seifenblase besonders hart traf.
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Einen Moment zögerte er noch, dann stand er wankend aus der unbequemen Position auf dem Fenstersims auf und kletterte zurück — jedoch nicht, ohne sich noch einmal zu Maksim zu beugen und ihm einen flüchtigen, verrauchten Kuss auf die Wange zu drücken. Trocken, freundschaftlich — und doch obszön, weil er damit eine selbstgezogene Grenze überschritt.
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”Ich liebe meine Freunde. Dich. Euch”, stieß er schließlich voller Inbrunst hervor — hätte es genauso gut geschrien, wenn er sich nicht ein wenig an dem dich verschluckt hätte. ”Das ist sicher und unanfechtbar.”
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Wie im Gleichtakt, die Herzschläge in ihrer Brust. Es war unvorstellbar, dass ihnen dies mal irgendjemand oder irgendetwas nehmen sollte. Denn ein Eliyas ohne Maksim war ebenso unvorstellbar wie ein Maksim ohne Eliyas, wie ein Yin ohne Yang, wie ein Geburtstag ohne Kuchen oder wie, zumindest für Eliyas, Verliebtheit ohne diesen süßlichen Schmerz in der Brust.
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Plötzlich war nur noch wichtig, wie Maksim die Zigarettenspitze mit hohler Hand abschirmte; wie das kleine Feuer sein Gesicht kurz orange aufleuchten ließ – es entflammte Maksims Mund, den Eliyas nicht ansehen sollte und den er doch einen Wimpernschlag nur anstarren konnte, diesen Mund, heilige Scheiße.
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Sie alle neigten wohl dazu, so zu tun, als wären sie unantastbar; es fühlte sich auch so an, in ihrem Alter berührte sie nichts, nicht dauerhaft, und zugleich schlug alles Wunden.
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”Umgekehrt ist es genauso, Katya. Ich bewundere dich. Aber die Vorstellung, wie wir miteinander schlafen, macht mich sehr traurig.”
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”Ahh … ja. Apropos Maksim … Er ist heute nicht zufällig mit dir hier? Nur damit ich mich nicht unnötig erschrecke, falls er doch noch aus der nächstbesten Torte rausspringt und mich begrüßt, weil er mich sooo sehr vermisst hat. Hmph.”
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”Ich bin aber nicht froh über seine Wut. Ich will, dass er sich entschuldigt. Ich will, dass er aufhört, sich so anzustellen und mir das Gefühl zu geben, ich sei ein schrecklicher Freund. Ich will …” Er beendete den Satz nicht, sondern presste nur noch einmal die Lippen aufeinander und zuckte mit den Schultern. Er wollte so vieles, und doch gab es von diesem Vielen genug, was unaussprechlich war und es auch bleiben würde.
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Von Katya erhoffte er sich vielleicht keine verständnisvolle Schulter zum Ausweinen, weil das überhaupt nicht in das von ihr erweckte Bild passen würde, aber er glaubte doch, dass sie ihm zumindest eine Chance geben würde. Sie würde ihn anhören. Und wenn sie ihn dann als Idioten und Schuldigen betitelte … läge sie eben auch falsch.
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Es war nicht schön, Eliyas zu sehen. Er hatte Eliyas nicht vermisst.
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Das Lächeln auf Maksims Lippen sah so unecht aus, und doch so ekelhaft verletzend, die bloße Existenz eine Beleidigung, dass es Eliyas die Sprache verschlug. Und wäre es nicht das Lächeln gewesen, dann die Wiederholung der Worte, die alles gewesen waren, was Eliyas hatte hören wollen. Nur dass die Art und Weise, wie Maksim sie höhnisch hervor spie, deutlich aufzeigte, dass sie nicht ehrlich gemeint waren.
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Wie leicht ihre Streitigkeiten abzuwenden wären, wenn Maksim nur sagen würde: Ich weiß, dass das nicht stimmt. Ich kenne dich. Ich kenne dich, Eliyas. Ich weiß, dass es dir nicht egal ist, dass wir dir nicht egal sind. Doch derlei Worte wurden bereits davon unmöglich gemacht, dass sie einander seit Adamas kaum noch beim Vornamen nannten; nur in betrunkenen, seltsamen Momenten war das noch vorgekommen. Und nun würde es das nie wieder. So war es eben nun einmal.
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Zedekiah Hewley trat gerade zwischen den Streben der Bühne hervor, das Gesicht so markant, dass Eliyas ihn sofort erkannte, obwohl sie während der Schulzeit nicht befreundet gewesen waren. Dennoch erinnerte er sich sehr genau daran, wie Zed Selena stets hinterher gedackelt war. Mal abgesehen davon, dass Eliyas Katz ein ansehnliches Gesicht niemals vergaß.
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Sein Blick blieb stets auf Salimatou Ba geheftet, so ernst nahm Timothy seinen Job.
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So standen sie, beide voneinander weg gedreht, wie es früher niemals der Fall gewesen wäre. Früher war da so viel Vertrauen gewesen, so viel Selbstverständlichkeit, doch diese wirkte mittlerweile Jahre entfernt. Etwas, von dem Eliyas geglaubt hatte, dass es ihm niemals verloren gehen würde, schwamm mit einem Mal davon.
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Aber wenn man Tag ein, Tag aus mit Grausamkeiten konfrontiert wurde, über die zu sprechen einem unmöglich war, hörte man eben auf zu schreiben. Man hörte auf, Worte zu suchen. Man hörte auf, zu dichten. Die leere Seite wurde zum falschen Freund, der nur höhnische Sprüche für einen übrig hatte und an dessen miserable Gesellschaft man sich doch gewöhnte.
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Eine Begegnung mit Maksim Fedorov, der anscheinend mit seinem Bruder Miron Fedorov unterwegs war, hatte ihm noch gefehlt. Nicht, dass es ihm möglich gewesen wäre, den Fedorov in diesem Augenblick anzusprechen. Ausnahmsweise stand ihm aber auch nicht der Sinn danach; ihm war zu kalt und er langweilte sich, aber er langweilte sich doch nicht genug, um sich einer sinnlosen Provokation des Fedorovs hinzugeben.
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Wie gerne läge er jetzt irgendwo in den Tropen und würde sich den Rücken von einem hübschen Mann mit sanften Händen einölen lassen. Stattdessen war er dazu verdammt, auf dem Herbstfest zu sein.
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Stattdessen hatte er von Maksim eine übergezogen bekommen. Stattdessen hatte er seinen besten Freund verloren — oder eher hatte Maksim ihm die Freundschaft gekündigt, hatte ihm geklaut, was rechtmäßig Eliyas zustand, wie als wäre ihre Freundschaft auf einem Geschäft begründet, das sie noch in Windeln getätigt hatten.
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Aber so wie Maksim aussah, bezweifelte er, dass eine Frau ihn in seine Nähe gelassen hätte, mal von einer Prostituierten abgesehen. Aber selbst jene besaßen Standards, zumindest Eliyas’ Auffassung nach.
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Er war schon immer Experte darin gewesen, sich ausgerechnet nach der Nähe zu sehnen, die von einer zur Faust geballten Hand gebracht wurde. Sie schmeckte zu gut; sie fühlte sich an, wie als müsse er sie sich nicht erst verdienen; sie gehörte ihm, ohne dass er etwas dafür tun musste. Sie war die einfachste Form der Zuneigung, und von Maksim war sie momentan vermutlich alles, was er zu erhalten hoffen konnte.
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Eine gefühlte Ewigkeit saß er dort, dann sammelte er sich, suchte nach ein paar Flaschen Wein und verließ die Wohnung wieder. Und als er den Park erneut betrat, man ihn laut johlend fragte, wo er den Fedorov gelassen habe, dämmerte ihm, dass Maksim nicht gelogen hatte. Natürlich nicht, wie naiv von ihm, das zu glauben! Maksim Fedorov hatte nicht gelogen, als er sagte, er wolle ihn nie wiedersehen.
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Es war nicht so, wie Maksim dachte. Eliyas waren seine Freundschaften heilig, Maksim war ihm heilig, aber die Anstrengung, die es ihn kostete, nicht damit herauszuplatzen, dass er nie richtig geliebt hatte, nur hoffnungsvoll und verquer, im Glauben, er könne dadurch jeglichen Gedanken an Maksim abschütteln, verhinderte dass er überhaupt etwas sagen konnte.
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Maksim Fedorov machte in diesem Augenblick vor allem eines deutlich: Er wollte in den Ring steigen und sich wahrhaftig prügeln; er wollte ihn mit sich in einen Sumpf ziehen, von dem Eliyas, der stets vornehmer tat als er seiner Herkunfts wegen war, sich abgestoßen fühlte.
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Eine stumme Hoffnung regte sich auch jetzt noch in Eliyas — egal, wie unsinnig es auch war, hoffte er, dass Maksim doch noch lachte und alles wieder wie immer wäre. Oder vielleicht hoffte er auch, sie könnten sich beide am Riemen reißen und so tun als ob es das wäre, auch wenn die Wahrheit wie stinkender Schwefel in der Luft lag.
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Katya war also wieder in Stellans. Interessant aber nicht interessant genug, um ihm mehr als einen kalten Spruch zu entlocken: ”Und? Hast du ihr zur Begrüßung auch eine übergezogen?”
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