Alle Inplayzitate
![]()
Er starrte Arvin an, fragte sich noch, wie er nun doch die Kraft aufgebracht hatte, die schweren Lider zu öffnen, als sein Körper sich bereits in Bewegung setzte, die noch verbliebene Distanz zwischen ihnen zurücklegte und auf den des Lambs prallte wie ein Verdurstender, dem man gerade den helfenden Rettungsring entgegengeworfen hatte; und mindestens genauso sehr wie die Hoffnung auf Bergung aus diesen tosenden Wellen krallten sich seine Finger in die Schultern seines besten Freundes, als er ihn mit all seiner Kraft an sich drückte und den vertrauten Geruch einsog, von dem er überzeugt gewesen war, nie wieder Zeuge werden zu dürfen.
![]()
Er wehrte sich gegen den Gedanken, schmerzte er doch zu sehr, doch wenn er ehrlich mit sich selbst war, dann hatte Arvin mit dem Auszug aus seinem Leben genau das mit sich genommen, was der Shepherd daran geschätzt hatte. Was er, genau genommen, überhaupt erst dort aufgebaut hatte. Als hätte er, nach Davins Tod, eine Saat in seinem Inneren fallen gelassen, die sich erst mit der Zeit in die Erde gegraben und dort langsam, aber stetig gewachsen war, die Farben zurück in sein Leben gebracht, seinen trüben Blick geschärft hatte für Kontraste und Schönheit, für Details und kleine Wunder.
![]()
Der Shepherd sah all diese Veränderungen, spürte sie jedoch nicht. Er erkannte, dass der Winter Einzug hielt, doch anders als sonst sah er seine Schönheit nicht mehr und hielt auch keine Anteile an einem Aufkeimen seines Interesses dafür. Wo ihn an Schneeflocken die wundersame und gleichsam -schöne Struktur in den Bann gezogen hatte, das Wachsen der Eiskristalle bei stetig voranschreitendem Gefrieren des Wassers, sah er nun nicht mehr als genau das – gefrorenes Wasser, das vom Himmel fiel.
![]()
Ein Körper, der seit Jahren eher vor sich hin dämmerte, statt in einen tiefen und erholsamen Schlaf zu fallen, würde seine Gewohnheiten wohl nicht einfach so umstellen. Nicht in einem anderen Land und nicht, wenn er neben sich jemanden atmen hörte – was er Arvin natürlich nicht gedachte zum Vorwurf zu machen!
![]()
Die Verwirrung des Lambs verwirrte gleichzeitig Cassius und so waren letzten Endes wohl alle beteiligten Personen verwirrt, ohne es offensichtlich zeigen zu wollen.
![]()
Ironisch, dass man ihm mit einem Nachnamen beschenkt hatte, deren Bedeutung so gegensätzlich zu dem Weg war, den sein Schicksal ihm immer deutlicher offenbarte.
![]()
Das Schicksal erfüllte sich immer und wenn nicht, dann fand es eine Kompensation, die es mindestens ebenso zufriedenstellte, wenn es nicht sogar noch zusätzliche Zinsen für den Mehraufwand verlangte.
![]()
Eine unsichtbare Kraft zwang ihn in die Knie, doch noch bevor er den Boden erreichte teleportierte auch er sich mit Hilfe seine Magie fort von dem Ort, der ihn zu verschlingen drohte, weil er ihm so deutlich zeigte, dass sich die Welt weiterdrehte, obwohl seine gerade zum Stillstand gekommen war.
![]()
Seine Wut hatte sämtliches Einfühlungsvermögen, sämtliche Beschwichtigungsfähigkeiten und sämtliches Schlichtungsgeschick einfach verbrannt und es gab eine Stimme in seinem Inneren, die ihm sagte, dass auch nicht er allein es war, der zurückzurudern hatte. Doch wie ruderte man überhaupt, wenn der Untergrund voller spitzer Steinkanten war?
![]()
Der Schmerz in seinen Augen. Die Enttäuschung, als sein Zwilling und Schatten. Beides fühlte sich an, als würde man ihm einen Spiegel vorhalten, was es für Cas als schwierig gestaltete zurückzurudern, wo die Aussagen des Lambs ihm doch zuerst das Gefühl vermittelt hatten in den freien Fall gestoßen worden zu sein. Noch immer war er nicht am Boden angekommen und zu tausenden von Teilen zerschellt.
![]()
Wenn ich ihn fort schicke und er in der Nähe meines Ladens umkommt, werden sie mich als erstes befragen. Ich möchte dich ihnen ungern als Opfergabe für mein Schweigen darbieten, also sei still und sag mir lieber, wo ich dieses Gesicht schon einmal gesehen habe.
Schweigen. ![]()
Selbst bei angebotener Hilfe, hätte Cassius sie vermutlich abgelehnt, von sich geschoben, weil er sie nicht verdient hatte, während der Mann in seinem Laden aktiv danach suchte. Es gefiel ihm nicht, dass ausgerechnet er der Retter in der Not sein sollte – aber sein vorheriger Gedanke, ihn nach draußen zu schicken um sich Flüssigkeit aus der Luft zu ziehen, erschien ihm nun ein wenig harsch.
![]()
Dem Shepherd war lediglich bewusst, dass sich Österreich in einer schwierigen Nachkriegszeit befand, dass es regelrecht geviertelt worden war und die Besatzungszonen nicht unbedingt darauf bedacht waren, sich regelmäßig auf Kaffee und Kuchen zu treffen um Gedichte vorzutragen und die vorherrschende Nächstenliebe zu zelebrieren.
![]()
„Es ist Dämmerstunde. 18:50 Uhr. Die Sonne ist vor etwa einer halben Stunde untergegangen.“ Skeptisch hob er eine Augenbraue. Der Mann sah aus, als würde er ihm in den nächsten Momenten vor den Tresen fallen. „Kann ich Ihnen helfen? Benötigen Sie…“ Sauerstoff? Einen Wegweiser nach draußen, um dort zu Grunde zu gehen? „…Wasser?“, fragte er distanziert, kühl und verschränkte die Arme vor der Brust. Was für ein unnötiges Angebot. Dieser Tage regnete es die Hälfte aller Stunden. Sollte er doch den Kopf in den Nacken legen und den Mund öffnen.
![]()
„Der Hobbit handelt von einem haarigen Liliputaner, der sich mit Zwergen auf die Suche nach einem Drachen macht… was bitte soll ich deiner Meinung nach aus diesem Werk Lustiges lernen? Mir die Füße zu rasieren?“
![]()
Als sähe Arvin ihn als einen Stadtmenschen - und was hatte er getan, um plötzlich eine Beleidigung zu verdienen? Konnte er ihn, wenn unbedingt notwendig, nicht einfach als Arschloch bezeichnen?
![]()
Das Feld auf dem er sein Interesse gegenüber Menschen säte war ohnehin unfruchtbar.
![]()
Dem Gefühl der Wut hatte er lange abgeschworen. Zumindest hatte er das geglaubt. Gleichgültigkeit, das war es, woran Cassius sich klammerte, seit… er wusste es nicht einmal mehr genau. Seit vielen Jahren. Wut ließ ihn impulsiv werden und wohin ihn dieses Gefühl zerrte, hatte er bereits ausreichend feststellen dürfen. Wut machte ihn angreifbar. Und im Fall der Fälle wollte nicht er derjenige sein, der sich zu verteidigen hatte. Er war die Offensive.
![]()
Cassius spürte die Kälte kaum, die sich trotz Mantel und einem ungewöhnlich farbenfrohen, dunkelblauen Schal zu ihm durchfraß.
![]()
Zu diesem Schluss würden wohl auch Good Cop und Bad Cop kommen, die ihn dort hinter verschlossenen Türen befragten, nur um zu klein geratene Genitalien zu kompensieren.
![]()
Denn seine Heimat war nicht nur ein Land, nicht nur ein Küstenort und nicht nur der besondere Klang englischer Worte – es waren auch, oder vor allem, Personen, die nun nicht mehr in seinem Leben weilten und ohne die selbst die schönste Umgebung der Welt ein klein wenig grauer wirkte, das Schreien der Vögel ein wenig dumpfer, die Herzlichkeit der Iren ein wenig reservierter.
![]()
Das Kreischen der Möwen wich dem etwas sanfteren Klang kleinerer Vögel, die Arvin sicher benennen konnte, für Cassius in diesem Moment allerdings nichts weiter verkörperten als kleine, namenlose Instrumente der Natur.
![]()
Bedeutete es, dass er Davin vergaß? Das die Erinnerung an seinen Bruder langsam aber sicher an Bedeutung verlor und verblasste, unwiederbringlich, wie die mit Tinte gefüllten Seiten eines Buches, das man im Regen vergaß?
![]()
Es hatte einen Grund, warum er sich gegen die Schönheit der Welt sperrte, ob sie nun in Form von Kunst, wie Musik, zu ihm kam, in Form von Naturphänomenen, wie einem Regenbogen… oder in Form von Menschen.
![]()
Ein Trio, das drei verschiedene Streichinstrumente bediente, legte ein solches Talent in- und aufeinander abgestimmter Töne an den Tag, dass sich bereits eine überschaubare Menschentraube um sie gebildet hatte, ein Großteil davon bewegte sich zu den mäßig schnellen Takten eines Songs, den Cassius nicht kannte. Er streckte dem Lamb die Hand entgegen. Auffordernd. Herausfordernd. Neugierig. Mit einem leicht schrägen, neugierigen Grinsen im Gesicht, das hoffentlich dennoch ausreichend distanziert wirkte, damit man ihm die Enttäuschung nicht sofort ansah, würde Arvin einen Tanz ablehnen.
![]()
Es war zwar nicht das, was er brauchte und weshalb er diesen Ausflug unternommen hatte; doch würde es im Gehirn des Lambs hoffentlich für eine kleine Ausschüttung von Glück sorgen.
![]()
Der Schauer lichtete sich, erstarb jedoch nicht völlig und so erweckten die Regentropfen den Anschein, als tauchten sie die Welt kurz in einen Glitzernebel, bevor über der Themse ein blasser Regenbogen zu sehen war, einen Herzschlag lang, zwei, drei und noch einige mehr, bis die nächste Wolke die Düsternis wieder zurückbrachte und der Regen keine Farben mehr malte, sondern stattdessen wieder Kontraste nahm.
![]()
Arvin, der Waldschrat, würde ihn in die Metropole Londons begleiten.
![]()
„Du bist eine miserable Gastgeberin." Sein Blick glitt erneut hinüber zu dem kalten Kamin, die Finger in seiner Armbeugte zuckten kurz und im selben Moment loderten helle Flammen an der Stelle empor, die soeben noch durch ein gähnendes, schwarzes Loch überaus uncharmant bestochen hatte.
![]()
Die Welt hatte sämtliche Farbe eingebüßt, das Vogelzwitschern war einem lauten Rauschen gewichen und auf dem Weg bildeten sich bereits die ersten Pfützen, deren Wasseroberfläche aufgewirbelt und bräunlich vor ihm lag. Cassius stieß einen schweren Seufzer aus.
|