Alle Inplayzitate
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"Not this again, Cassidy. I've told you already that I don't have any more jobs for your dear friends." Es war immerhin nicht das erste Mal, dass Ambróis entweder eine seiner Flammen bei Alejandro ablud, damit jener sich ihrer annehmen konnte - was bedeutete, dass er sie haushoch rauswarf -, oder dass er jemanden anschleppte, der Arbeit suchte. Noch mehr erloschene Flammen des Cassidys in der Belegschaft des Casinos war wirklich das Letzte, was sie gerade gebrauchen konnten.
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Alejandro legte ungerührt den Kopf schräg; "I look like the whore?" Die rhetorische Frage wurde begleitet vom dunklen Blick aus purem, kaltem Schlick, mit dem er emotional losgelöst Chiyeols nackten Körper ins Auge fasste, bevor er seinen eigenen dunklen Morgenmantel mit gemächlichen Bewegungen zuband.
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In seinem nachtschwarzen, doppelreihigen Anzug sah er ordentlich aber unscheinbar aus; die Haare glänzten, dunkel wie Nachtnektar, fein säuberlich mit Pomade zurück gestrichen, und sein Blick war aufmerksam und schnell; wenn ein Blick etwas sein konnte, ein Gegenstand, ein Ort, ein Wesen, wäre seiner brennendes Öl.
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Der Mann zog Mudan unter dem Tisch hervor; den Jungen, dessen Fingerabdruck auf der ganzen Traumwelt lag.
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Woran dessen Worte nicht ganz unschuldig waren. Chiyeols Wunsch, zu gefallen, war wie ein Fieber, das ihn überfiel und Alejandro eine obszön ehrliche Antwort entlockte, die ihn kurz hinterfragen ließ, ob er über sich eigentlich noch Kontrolle hatte: ”Tonight you could do whatever you want to me and it’d please me.”
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Er wollte Ausdrücke in das Gesicht des Byuns malen, die noch nicht erfunden worden waren. Wenn Chiyeol Alejandro zu seiner Kunst machte, dann machte Alejandro Chiyeols Kunst zu seinem Geschäft und diesen Moment zu etwas, das ausgekostet, lang gezogen, nicht übereilt gehörte.
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Für Chiyeol waren die Narben wunderschön, für Alejandro waren sie einerlei. Ballast, den er trug, über den er sich nur beschwerte, wenn die Schmerzen Überhand nahmen. Der Profit, den er aus ihnen zog, war zu groß, um ihre Anwesenheit zu beweinen. Aber noch nie war er so zufrieden mit den Narben gewesen, wie in dem Moment, als Chiyeol sie berührte und mit seinem verräterischen Lob und seinen schmutzigen Händen zu geweihtem Boden machte.
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Müsste er einem Menschen seinen Untergang anvertrauen, dann wäre dieser Mensch Chiyeol Byun.
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Die Narben an seinen Armen waren noch dünn, nur Ausläufer des Gewebes, das sich über seine Schulten spannte, von links und rechts langsam aber sicher wie Hände über seine Rippen zu wachsen begann. ”What about my art? Does it appall you?”, raunte Alejandro. Mit einer Hand betastete er beiläufig eine der zwiebelnden nekrotischen Narben an seiner Rippe, bevor er eine Hand nach Chiyeol ausstreckte, dem Künstler, dessen Finger er auf sich wissen wollte.
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Alejandro existierte nicht in dieser Welt, in die Chiyeol sich kippte. Alejandro schmeckte nach dem Metall harter Münzen, nicht nach Blut.
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Chiyeol Byuns Wahnsinn war einer, von dem Alejandro stets befürchtet hatte, sich anzustecken. Den er sowohl belächelte als dass er ihn auch faszinierte. Vor dem er sich aus beiderlei Gründen in Acht zu nehmen hatte. Ein Wahnsinn, der mit Farben anfing, Blut verlangte und den Tod begrüßte.
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Nun sah er den Künstler, der nicht von ihm ablassen konnte. Der ihm die Eingeweide aufschlitzen würde, wenn Alejandro ihn nur ließe. Und für einen schrecklichen Augenblick erwischte sich Alejandro nicht nur dabei, dem gegenüber Gleichgültigkeit zu empfinden, sondern ihn sogar ernsthaft anspornen zu wollen. Do it. Disembowel me. Turn me into art. Carry me with you, always.
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"Acting like a lovesick dog now, Byun?" Da tötete man einmal zusammen und schon wollte der eine mehr.
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Die Wangen und Hände schmutzig, geküsst von dem Dreck, in den sie sich voller Ekstase getaucht hatten, wusste er, dass ein Reinwaschen von Körper und Kleidung leichter wäre als ein Reinwaschen seines Denkens. Weil jenes von den Fingerabdrücken des Byun wie eingedellt war; weil er ihn auf seinen Lippen schmecken konnte, ohne dass sich ihre Münder jemals berührt hätten.
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War ich nicht nützlich für dich? Die Bedürftigkeit, die in diesen Worten mitschwang, war wie Sahne, die Alejandro auflecken wollte. War ich nicht nützlich für dich? Nur kurz und doch lang genug hob der Zerrudo die Hand, legte sie in Chiyeols Nacken, drückte ihre Stirnen aneinander, so vertraut wie er es zuletzt vor vielen Jahren getan hatte. "Ich hab nicht vergessen, dass du eigentlich hier bist, um einmal mehr meine Pläne zu durchkreuzen. Aber ja, du warst nützlich für mich, wer hätte das gedacht."
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"Besser als du dich selbst." Es spielte keine Rolle, ob Chiyeol dem widersprach, war es doch Alejandros Wahrheit. Er kannte Chiyeol sowohl besser, als jener sich selbst, als auch besser als es Alejandro eigentlich angenehm war. Weil ihn zu kennen ihn auch unauslöschlich für ihn machte; und auf unerklärliche Art und Weise zu einer Welt, die tabu für ihn war. Für einen Geist aus einer Vergangenheit, die er nicht länger als die seine anerkennen wollte.
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Chiyeol Byun war doch schon immer kaltblütiger gewesen als er, während der Zerrudo nichts weiter als eine Schlange war. Ein Dieb, von Geld, von Erfolgen anderer Menschen, und auch von Erinnerungen.
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Doch am Auffälligsten war das, was heute auf dem hellen Kragen seines Hemdes prangte, denn das war ganz bestimmt keine lippenförmige Brosche, sondern der Rest einer vermutlich nach Lilien riechenden Farbe. Ein Kuss, in den Stoff gedrückt, als hätte jemand den Hals von Ambróis verfehlt (vermutlich betrunken, oder einfach schlampig … So, wie er Cassidy kannte vermutlich beides).
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Der Mann war mit einem unerträglich dicken Fell gesegnet und schien sich selbst immer auf der Seite der Sieger zu sehen. Und da er sich im Casino öfter als nicht an Alejandros Seite befand, entsprach dies auch der Wahrheit.
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Verschwand in seinem Büro, wo er vor seinem Schreibtisch stehen blieb und das Bild anstarrte, das er dahinter aufgehängt hatte. Welches er nun herabriss, als wäre sein Künstler, dieser elendige Idiot, Schuld an alledem. Das er mit dem Fuß durchstampfte wie einen Brustkorb, bis der Rahmen zersplittert war, die Leinwand lieblos herabhing, eine traurige tote Zunge aus verzweifelter Farbe.
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Er betrachtete ohne wirklich zu sehen das an der grün gefliesten Wand hängende Bild. Es weckte weder Erinnerungen noch Entzücken, war nur ebenso da, wie der Rest des Gentlemen Clubs da war und für ihn, dessen Sinne auf anderes verschärft waren, wie auf jeden Atemzug, den Chiyeol tat, und der einer zu viel war. Oder das Geräusch von Mahoneys schwachem Pissstrahl, den er wirklich einmal im Hospital untersuchen lassen sollte.
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Dass es ausgerechnet diese Welt war, die sich in seinen Kern schmiegte, war nicht nur bezeichnend, sondern auch etwas, das Alejandro den letzten Minuten zuschrieb. In denen er Mudan zu Boden hatte gehen lassen, ihn über jenen schliff, wie als wäre er nichts weiter wert als ein alter Lappen, mit dem man die Holzdielen wischte.
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Er drohte ihr mit Isolation, mit dem Abschneiden von den Möglichkeiten, die er ihr bot. Bessere Möglichkeiten würde sie nicht finden, und dass sie sich dessen bewusst war, diesen Glauben tiefer in sich verankerte als Katholiken das Ave Maria, war seinen Zielen unerlässlich.
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Vega blieb nichts weiter als eine Satzfuge im Leben des Zerrudos. Ein Einwurf, für den man kurz extra einatmete; dem man einen Platz auf seinen Lippen, in seinen Gedanken gab. Den man auch herausschneiden könnte, ohne den Inhalt zu verlieren, lediglich ein Stück vom Kontext würde dadurch in den Boden sickern wie Regenwasser in dürren Boden. Mehr nicht. Mehr war sie nicht, obwohl sie ähnlich darin waren, wie sie gemacht waren — wie sie lebten, in Schatten, in die sich Blicke nur selten verirrten, und wenn doch, dann nur jene, die sowieso schon auf der Suche waren.
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Denn bereits mit Worten malte er sich Alejandro Zerrudos Tod aus, wie als wäre jener der unausweichliche Höhepunkt einer (sehr erwachsenen) Gutenachtgeschichte.
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Chiyeol war seine Schwäche. Zugleich war er der Mensch, vor dem er diesen Fakt am ehesten verbergen sollte.
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[...] nur Augen für Chiyeol. Für die Schnelle seines flachen Mundes. Für die klugen, fiebrigen Augen, denen es an Zurückhaltung mangelte. Die immer auf der Suche nach Bestätigung zu sein schienen. Früher hatte er mit ihnen nach Alejandro Ausschau gehalten, als wartete er sein Lachen ab, um in perfekter Harmonie darin einzustimmen. Die einzige Harmonie, die sie einander erlaubt hatten — sonst waren sie, trotz Freundschaft, mehr einander hochschaukelnde Explosionen gewesen. Einer schlimmer als der andere.
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Sie hatten beide das Leben nur zu lieben gelernt, indem sie sich an jedem Schlag ins Gesicht aufgeilten. Indem sie von Grund auf erwarteten, wie Anomalien behandelt zu werden, die es abzutöten, auszumerzen galt — wie Viren, die in der Bevölkerung ihr Unwesen trieben. Vor allem in einer Bilderbuchwelt wie jene, die Stellans vorzugaukeln versuchte.
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Im Bruchteil von Sekunden betrauerte er sich selbst, betrauerte Chiyeol und Alejandro, wie sie einander beißend den Rücken gestärkt hätten. Betrauerte die Version ihrer selbst, die sich nicht am Ende dieses Moments vermutlich jeweils ein Messer in den Leib stoßen würde.
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Er hatte die Oberhand, denn die längste Zeit war es seine Hand an Chiyeols Kehle gewesen. Und er war es, der entschied, wann und ob er ihn losließ. Er war es, der Chiyeol seine gekrächzten Geständnisse aus den Rippen leierte und sich dabei sowohl geschmeichelt fühlte, als auch mit einer alten Bestürzung rang. Mit einer uralten Verletztheit, die ihn ein wenig benommen machte.
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