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Maldwyn kannte dieses Gefühl des Geduldet werden, es war ihm so eingraviert wie kein anderes, versteckte sich in dem blassen Muttermal an seinem Hals, dem seichten Anschein von Sommersprossen auf seiner Nase. Dieses Gefühl hatte ihn großgezogen, saß fest verankert in den Wänden seiner Kindheit, war eins mit dem Namen Bonfe, der manchmal wie ein schlechtes Omen über ihm hing.
Dafür fühlten sich seine Beine, nein, sein gesamter Körper noch immer zu fremd an, als wäre er nur ein Gast, der gerade so geduldet wurde.
Sie waren nicht dafür bekannt, Witze zu machen. Kein Bonfe der Welt schien je so etwas wie Humor besessen zu haben, denn in ihrer Welt schien noch nichts erfunden worden zu sein, wofür es sich rechtfertigte, die Mundwinkel in die Höhe zucken zu lassen, etwas heftiger als sonst auszuatmen oder gar in ein beherztes Lachen zu verfallen, laut und an den Wänden widerhallend, die doch bereits bei einem Flüstern drohten, zu zerbröckeln.
Keine Lügen, keine Wahrheit. Im Hause der Bonfes sprach man nicht, man presste die Lippen fest aufeinander, schmierte etwas Teer über ihre Lippen und wartete darauf, dass die Sonne sie versteinern würde.
”Du verwechselst mich bestimmt-” Genau. Mit seinem Cousin, der beinahe genau so wie er aussah. Baldwyn Monfe.
Man konnte ihm ein Paar Socken oder einen neuen Schal schenken und er würde sich noch dafür schämen, dass man denken könnte, er würde diese dann auch tragen, als würde nicht jeder andere Mensch auch Socken tragen oder im Winter einen Schal benötigen.
Ich dachte, wenn ich da jetzt rausgehe, dann sterbe ich. Ich falle von der Treppe, ich verlaufe mich im Schloss und werde nie wieder gefunden oder ich verbrenne mich beim Ritual aus Versehen selbst und nicht nur meinen Zauberstab.
Wenn er ganz leise sein würde, würde man vielleicht sogar vergessen, dass er überhaupt noch da war.
Ja, vielleicht wollte er deswegen auch seine Krawatte haben. Wenn er jene umlegen, sich die Haare blondieren und dann noch eine Träne nach der anderen aus seinen Augenwinkeln pressen würde, hätte Levin das perfekte Maldwyn Bonfe Kostüm.
”Keine Ahnung, wem das ganze Zeug hier gehört”, huschte es ihm eilig über die Lippen, dann gab er sich reichlich viel Mühe dabei, den Blick auf alles zu richten, nur nicht auf Zenaida, Polina oder die Penis-Statue.
”Ehm”, für nichts war Maldwyn Bonfe so bekannt, wie für seine Wortgewandtheit. ”Also … soll ich dein Zimmer für dich suchen oder willst du … hier bleiben?” Was für eine dumme Frage. Natürlich wollte sie nicht den Rest des Schuljahres im Gemeinschaftsraum verbringen.
Nur ein Quak, das war es, was das kleine Wesen von sich gab - und doch genügte es, um jegliche Dämme zum brechen zu bringen.
Das Schloss stellte sicher, dass man am richtigen Ort ankam. Das Schloss hielt ihn in seinen schützenden Armen. Aber warum drehte es sich dann so? Versuchte es ihn zu verwirren, ihn reinzulegen? Hasste es ihn?
Einen Klassenraum zu betreten fühlte sich für ihn so an, wie seinem eigenen Tod entgegenzutreten - nur mit dem Unterschied, dass er mehrmals am Tag dazu gezwungen war.
”Du darfst das nicht.” Sie durften nicht einfach die Uniform eines anderen Hauses tragen. An diese Regel hatten sie sich zu halten, so wie sie sich auch an alle anderen Regeln der Akademie halten mussten … und es doch ganz offensichtlich nicht taten, weil sie nun eigentlich beide im Unterricht der Direktorin sitzen sollten.
Thorn mochte sich zwar allgemein an einer großen Beliebtheit erfreuen, aber seine Überzeugung, dass jeder von ihnen in etwas talentiert war, auch wenn dies eventuell nicht die Alchemie war, machte Maldwyn nervös, weil er befürchtete, der ehemalige Excubitor könnte einen Blick auf ihn werfen und zu der Erkenntnis kommen, dass es doch vollkommen talentlose Gestalten auf dieser Welt gab.
Sein Blick schwankte zur Seite und traf auf die schwarzhaarige Polina Fedorova und hätte man Maldwyn gefragt, wie er sich eine Nekromantin vorstellen würde, die dazu bereit wäre, ein Monster wie Zenaida Falkenrath-Blum wieder auferstehen zu lassen, dann wäre sein Finger wohl unweigerlich auf sie gefallen.
”Sorry, hab das Abend—Abendessen… verpasst”, stammelte er immer leiser werdend vor sich hin, als müsste er sich erklären, während sie ihm noch immer entgegen starrte. Oder vielmehr durch ihn hindurch. War er vielleicht doch endlich unsichtbar geworden? Prüfend ließ er den Blick an sich selbst hinab wandern und stellte unweigerlich fest, dass er leider noch immer schrecklich existierend aussah.
Sie hätte sterben können und er hätte es einfach verpasst, weil er nach dem Unterricht immer den verwachsenen Weg hinter der alten Bäckerei der Montdidiers nahm, wo er im Frühling manchmal so lange den Löwenzahn ausrupfte, bis seine Hände ganz Gelb gefärbt und das Mittagessen Zuhause kalt war.
Auf gewisse Art und Weise stimmte es ja: es war tatsächlich zum Teil einem Mädchen zu verschulden, dass Maldwyns Noten ein derartig schlechtes Ausmaß genommen hatten und er immer seltener zum Unterricht erschienen war. Aber das war nicht wirklich das, worauf Melchior hinaus wollte. Er fragte nach einem Mädchen, einer möglichen Freundin - und nicht nach Zenaida, die Maldwyn seit dem ersten Schuljahr regelrecht terrorisierte.
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