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”Es wäre besser, wenn die Vergangenheit dort bleibt, wo sie ist. Wenn wir uns um eines bemühen sollten, dann darum. Wenn Nicolò Gimondi”, seine Stimme verdunkelte sich, als er seinen Namen in den Mund nahm wie eine dornige Rose, ”auch nur einen Hauch Vernunft in sich trägt, wird er nicht nach Stellans zurückkehren, sondern sich woanders sein Glück suchen.” Das Glück, das sie einst gemeinsam gesucht hatten, zu dritt, wie eine Familie, und das doch jetzt so fern wirkte, dass es nicht einmal als Spur einen Weg in Arcturus’ Worte schaffte.
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”Es wäre besser, wenn die Vergangenheit dort bleibt, wo sie ist. Wenn wir uns um eines bemühen sollten, dann darum. Wenn Nicolò Gimondi”, seine Stimme verdunkelte sich, als er seinen Namen in den Mund nahm wie eine dornige Rose, ”auch nur einen Hauch Vernunft in sich trägt, wird er nicht nach Stellans zurückkehren, sondern sich woanders sein Glück suchen.” Das Glück, das sie einst gemeinsam gesucht hatten, zu dritt, wie eine Familie, und das doch jetzt so fern wirkte, dass es nicht einmal als Spur einen Weg in Arcturus’ Worte schaffte.
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Selbst wenn er immer wieder Distanz suchte und seine innersten Gefühle und Gedanken vor ihr ebenso sehr verbarg wie vor seinen älteren Schwestern, hatte er nicht verlernt, ihre Stimmungen und die Schwankungen in ihrer Gesundheit zu lesen und sich um sie zu sorgen. Die Farbschattierungen ihres Denkens waren ihm so vertraut, dass es ein Leichtes für ihn wäre, sie auszunutzen, und doch stieß ihn kein Gedanke mehr ab als dieser.
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Arcturus, der immer etwas verkniffen dreinschaute, dessen Mimik sich jedoch entspannte, sobald sie allein waren und die Arbeit sie beide ermattet aber zufrieden genug zurückließ. Arcturus, der Tee für sie kochte, sodass sie für einen Moment Häuslichkeit schauspielerten; zwei Männer auf einer Bühne, zwei Männer im selbstgeschaffenen Theater. Kurzweilige Freiheit für zwei Hexer, die jene weder kannten noch ernsthaft verdienten.
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Natürlich war es das gleiche Haus, das sie schon viele Male betreten hatten und dessen Holzstufen noch genauso vertraut knarzten wie vor Jahren, wie als hätten sie sich ihre Namen eingeprägt und würden sie nun sehnsuchtsvoll rufen. Er schwieg in die Erinnerung hinein, wie Nicolò ihm einmal ein Buch an den Kopf geworfen hatte, während sie spielerisch, unernst miteinander gestritten hatten, nur um mit weit aufgerissenen Augen eine Entschuldigung zu stammeln. Seine Hände, die Arcturus’ Kopf abtasteten. Die Lippen, die sich auf seinen Scheitel drückten.
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”I have not been in the business of saving anyone for a long time, Nicolò”, erwiderte Arcturus ermüdet. Seine Augen mochten funkeln, in ihnen mochte noch ein schaler Kampfgeist brennen, aber den Rest seiner Mimik, seine Zunge, seine Sprache, auch seinen Körper erreichte dieser Kampfgeist nicht.
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Diesmal machte er keinerlei Anstalten, Nicolò aufzuhelfen; nicht seines, sondern des Gimondis Stolzes willen. Vielleicht auch, weil er die wahre Besorgnis, die sich klamm in Arcturus eingeschlichen hatte, auf diesem Wege besser verschleiern konnte. ”There you can try to make me feel bad for saving your skin all you want.” Dass er unerfolgreich bleiben würde, musste Arcturus nicht aussprechen.
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Natürlich wünschte er sich sehnlichst, dass Nicky den Mund hielt, zugleich war er froh, dass dieser es nicht tat. Immerhin bedeutete dies, dass es ihm gut ging und er bei klarem Verstand war. Solange der Mann noch fluchen konnte, war bei ihm im Kopf alles richtig - traurig aber wahr.
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Langsam richtete sich Arcturus auf, strich sich das eisigkalte Haar aus dem Gesicht und gab ein leises Seufzen von sich; was die wohl ungehaltenste Reaktion auf Nicolòs Gehabe war, die man von ihm erwarten konnte.
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Arcturus legte es nicht darauf an, ihn zu befeuern, aber selbst sein penetrantes Schweigen und der finstere Blick, mit dem er Nicolò regelrecht strafte, hätten früher dafür ausgereicht, Nicolò endgültig in die Luft gehen zu lassen. Wenn er es sich in den Kopf gesetzt hatte, lichterloh zu brennen, brannte jemand wie Nicolò Gimondi auch. Ungeachtet der Tatsache, dass sein Zündholz durchfeuchtet war und nicht brennen können sollte.
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Arcturus war vielleicht ein Meister darin geworden, sich sein Handeln zurechtzulegen. Was erst Grimm gewesen war, ein Durchbeißen trotz wider besseren Wissens, hatte sich jedoch gewandelt, war zu etwas anderem verformt worden, das keiner der beiden Männer offen aussprach.
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Obwohl er ganz genau wusste, wie mit Verrätern jeglicher Art innerhalb seiner Familie umgegangen wurde, weigerte er sich, das Verbot seiner Eltern anzuerkennen. Es war so alt, so unausgesprochen, so selbstverständlich wiederum, dass niemand sich die Mühe gemacht hatte, genau zu definieren, in welchem Maße sie sich nicht auf Geächtete einzulassen hatten.
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Aber sie waren auch nicht dieselben Menschen wie vor Jahren. Nicolòs Nacken, der sich beugte, die sehnigen, starken Arme, die sich in die große Emaille Schüssel stützten, während Arcturus seine eigenen Ärmel hochkrempelte, schien nicht der gleiche Nacken zu sein wie letztes Jahr. Zu oft hatte Arcturus seine Lippen an seinen Hals gelegt, hatte eben diesen Nacken geküsst wie als wäre er die Morgensonne, oder ein Streifen eben jener. Warm, kitzelnd, ein wenig schwermütig. Jetzt war der Mann, der fluchte, nicht länger der Gleiche, von dem Arcturus sich lange Zeit fernzuhalten versucht hatte.
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Nicolò besaß den Körper eines Läufers, wie ein Märtyrer in einem flämischen Gemälde. Die Venen unter seiner Haut wie Kordeln. Stärke floss durch seinen Körper, selbst wenn er verletzt und von der Verletzung geschwächt war, wie als würde seine tobende Wut ihn davon abhalten, irgendeine Schwäche zu zeigen. Selbst verletzt kostete es ihn anscheinend Überwindung, sich von Arcturus versorgen zu lassen, auch wenn er sich dem nach einigem Bitten und unaufgeregtem Abfangen seiner Gehässigkeiten fügsamer dazu herabließ, als er es vor Monaten noch getan hätte.
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Während Nicolò sich eine Zigarette anzündete und von seinen bisherigen Ergebnissen berichtete, tauchte Arcturus' Blick in das dunkle Gewässer des Flusses; die Oberfläche wie ein schuppiger Rücken, der sich wogend, wie von einem Atemzug getrieben, bewegte. Bei der Erwähnung von Mussolinis former lover entkam ihm ein leises "Mhmh", was von Arcturus zu normaler Mensch übersetzt ein Lachen bedeutete.
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Ein jeder Mensch war eine verwinkelte Stadt, ganz für sich allein. Auf sie konnte man Blicke erhaschen, konnte sie so gut es ging erkunden, lernen sich in ihr zurechtzufinden, aber man würde niemals alles an ihr kennen können. Menschen entzogen sich aufgrund ihrer Komplexität ebenso eines Durchschauens, weil sie nicht statisch waren. Durch die Stadt pumpten sie wie Blutkörperchen, sich stetig wandelnd, und durch den Menschen selbst gingen Welten aus und ein.
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Er hatte sich diesen Auftrag nicht ausgesucht, und doch lag dort eine erwartungsvolle Spannung in ihm auf der Lauer; das altbekannte, zeitversetzte Zerren, wie als hätte gerade eben jemand Nicolòs Namen ausgesprochen. Als würde die bloße Erwähnung dieses Namens ein Phantomleben, das sie nie geführt hatten und nie würden, vor seinen Augen heraufbeschwören.
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Sein Leib trank den Nebel. Dunkelheit, die an ihm sog, wie ein Kind an der Haut der Mutter, um sich zu wärmen. Arcturus war weit und breit der einzige bewegliche Schatten; der Rest der Welt schien in einem komatösen Schlummer zu liegen.
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Spürte er wie kaputt dieser Mann war, der gefühlt nur noch aus Schwarzer Magie und den Intentionen seiner Familie bestand — ein zerbrochener und erzwungen wieder zusammengesetzter Gegenstand; ein Erbstück, sicherlich, aber kein schönes mehr. Zerfurcht von den tausenden Malen, die man diese Vase zu Boden geworfen hatte. Sein Gesicht gab davon nichts preis, aber die Narbe tat es.
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Es war nur ein Name, der wie flaumige Daunen über Arcturus’ Lippen fiel. Ein Name, der ihm Zuflucht geboten hatte, während sein Namensträger im Nirgendwo seine Buße getan hatte. Jahre, in denen die Zeit den Kosenamen von seiner Zunge hätte brennen sollen, flogen doch nur vorbei. Alles war anders. Alles war gleich.
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Sie müssten ihre Leben noch einmal neu leben, diesmal anders, diesmal ganz bewusst und ohne zu zögern. Arcturus müsste seinen Idealen folgen, bevor sie mit seinem Mut und seiner Liebe in seinem Körper verrotteten.
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Denn auch wenn er ihm keine Angst einjagen wollte, wäre es fatal, ihm Sicherheit vorzugaukeln, die nicht existierte. Es käme einem Verrat an dem, was sie einst miteinander geteilt, an ihnen gleich, ihn in diesem Glauben zu wiegen wie ein Kind, das die Wahrheit nicht ertrug.
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Hätte er ihn doch nur vergessen können, dann würde sich die Wahrheit dieses Raums, den sie plötzlich wieder miteinander teilen, nicht wie eine Schlinge um Arcturus legen.
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”Ich hab mich gefragt, ob du dich verändert hast. Und ich bin froh, dass du es nicht hast - nicht wirklich. Noch immer bist du wie Öl im Feuer. So entsetzlich leicht entzündbar.”
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”Du hast mich im Privaten früher auch nicht Van Hoek genannt, ich würde es bevorzugen, wenn du nicht plötzlich damit anfängst.”
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Er hegte keinerlei nennenswerte Beziehungen außerhalb des Spinnennetzes, der Arbeit oder seiner eng gewobenen Kreise. Man traf ihn nicht zufällig in einer Bücherei an oder lud ihn spontan zum Kaffeetrinken ein. Er war eine Fußnote dieser Stadt; isoliert vom eigentlichen Text.
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Dem Gimondi war es schon immer gelungen, Arcturus einerseits mit nur einem Blick innerlich aufzuwühlen, und ihm andererseits Ketten umzulegen; auch jetzt quälte ihn ein Ziehen in seinem Inneren, das ihn so leidenschaftlich dazu verleiten wollte, seine Hand in Nicolòs Nacken gleiten zu lassen, einen Kuss einzuatmen, sich dieser anderen Art von Leid, so schmerzlich süß, hinzugeben.
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Nicolò war gebrandmarkt, konnte weder vor noch zurück. Und doch war er hierher zurückgekehrt – in das Haus seiner Eltern, wie als würde er es darauf anlegen, sich das Backsteingemäuer mit ihrem Zorn zu teilen. Als würde er sich damit selbst verfluchen, sich bestrafen wollen.
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Wenn Nicolò den Raum betrat, sah Arcturus nicht auf. Sie grüßten einander nicht, außer man wurde von anderen auf die Gegenwart des anderen hingewiesen. Man tauschte oberflächlich Worte aus, wobei das gespielte Desinteresse wie ein Wettbewerb zwischen ihnen erschien. Manchmal hatten sie dieses Distanzspiel so weit getrieben, dass es unterschwellige Zweifel zwischen sie gestreut hatte – aber niemals für lang, niemals auf Dauer.
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