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Ja, es gab Tage, an denen sprach er mit Héloïse, ohne dass sie da war oder davon wusste, doch nun schien es ihm plötzlich an Worten zu fehlen, was er nach all den Jahren tatsächlich zu ihr sagen könnte, also kam ihm das einzig sinnvolle über die Lippen: ”You look like a whore.”
Missed me? ”Not a fucking minute.” Wie auch, wenn sie ständig in seinem Kopf rumgeisterte, ihre Stimme ihn unaufhörlich verfolgte und regelrecht in den Wahnsinn trieb?
Sein Talar roch nach altem Rauch und Selbstverachtung.
Noch ironischer, weil es in dieser Straße trotz des Namens keine einzige Kirche gab, aber dafür eine zu eng gebaute Kneipe nach der anderen. Welchen Gott sie hier wohl anbeteten? Vielleicht ja doch den gleichen wie Silas, der die Getränkekarte studierte wie die Bibel, seit er auf einer der schmalen Eckbänke Platz genommen hatte. Welcher Psalm würde ihm heute wohl am besten schmecken?
Tüchtig und demütig. Hätte man Silas nun darum gebeten, ein paar Psalme aufzusagen, wären sie ihm mit Sicherheit alle entfallen.
Gott war überall. Seinen Blicken entging nichts, auch wenn es vermutlich für sie alle besser wäre, wenn er zumindest manchmal die Augen verschließen würde.
Wo Maurice gleichermaßen Können wie auch Sanftheit bewies, war Silas schon immer grob und unachtsam gewesen - was auch erklärte, warum ein paar der Tasten mit ihrem strahlenden Weiß vollkommen fehl platziert in dieser Kirche erschienen.
Das war keine Probe Gottes, welche man ihm auferlegt hatte, denn sie wussten alle, dass er versagen würde. Es war ein Spiel zu seinem Vergnügen, in welchem Silas die Hauptrolle des Hofnarren einnahm. Gott war nicht nur wütend auf ihn, er machte sich über ihn lustig.
Ihre Welt war zum Brennen bestimmt. Die Geschichte hatte ihnen dies immer wieder in Erinnerung gerufen, hatte sie mit Kriegen und Katastrophen einen Blick darauf werfen lassen, wie ihr Ende aussehen würde. Nur wann genau jenes Ende endlich kommen würde, verriet ihnen weder die Vergangenheit noch Gott.
Sie waren im Krieg miteinander, er und Mendelssohn, dessen Melodie an den Wänden wider und widerhallte, um Silas’ Kopf nun auch wirklich aus jedem Winkel anzugreifen.
Wobei es auch oft genug nicht sein Bett war, in welchem er aufwachte. Von den Fußräumen zwischen den Kirchenbänken bis hin zum Straßengraben am anderen Ende der Taschendimension, hatte es Silas in seinem Rausch schon an beinahe jeden Ort von Stellans getrieben, denn es war die pure Unruhe, von welcher er sich in solchen Nächten treiben ließ. Wie ein Geist, der nicht so recht wusste, wohin mit sich.
Nicht einmal das Ende der Welt war ihm vergönnt, nein, anstatt ihn ebenfalls in Flammen aufgehen zu lassen, strafte Gott ihn mit seinem Verbleiben und leeren Weinflaschen, dieser verdammte Hurensohn.
Der Weg unter seinen Füßen blieb aus Gestein, der Himmel über ihm ein einziges Schwarz, als hätten selbst die Sterne die Flucht ergriffen. Nur er war noch hier.
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