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Er war nicht gekommen, um Seelen zu retten. Nur, um die Wahrheit aus dem Dreck zu ziehen. Und wenn sie dabei zerschlagen, zerbrochen oder verbrannt werden musste, dann war das eben der Preis.
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Es war, als würde ihre Umgebung selbst einen Schritt zurücktreten, um Platz zu machen für das, was sich nun zwischen den Fugen des Moments schälte: die Präsenz der schwarzen Magie. Ein leiser Nebel, träge und schwer, wie die Erinnerung an etwas, das längst in Vergessenheit geraten war. Corvus ließ ihn spüren, dass sie da war, nicht, indem er sie direkt entfaltete, sondern indem er sie andeutete, wie ein Bild, das im Dunkel nur durch die Silhouette zu erkennen war. Die Narben an seinem eigenen Körper, gut verborgen unter Stoff und Zauber, schienen bei ihrem Flüstern mitzusingen.
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Er trat näher, sein Blick wie ein Skalpell, das bereits vor dem Schnitt erkannte, wo die Schwäche saß.
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Nach dem hüftsteifen Tanz des Blondschopfs, der so aussah, als wäre er noch grün hinter den Ohren und hätte das letzte Mal Selbstsicherheit im Schaufenster gesehen, aber nicht den Mut gehabt, sie zu kaufen.
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Stattdessen beobachtete er, wie sein Bruder sich von der Wand abstieß, wie er sich auf die Beine zwang, schwankend, unsicher. Diese Bewegungen hatten nichts von der natürlichen Schwere eines erschöpften Körpers. Sie waren fahrig, ziellos, mechanisch, wie das Zucken einer Marionette, deren Gelenke über die Zeit eingerostet waren. Oswin wirkte wie etwas, das man hätte reparieren müssen, aber dann doch immer wieder aufs Neue ignorierte.
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In seinem Inneren, tief dort, wo seine Wut immer wie ein hungriges Tier gelauert hatte, breitete sich etwas anderes aus. Ein Gefühl, das sich schon lange nicht mehr in seiner Brust ausgebreitet hatte: Hoffnung. Verkrüppelt, vernarbt, kaum wiederzukennen — und doch war sie da.
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Corvus konnte nichts tun, außer ihm die Hand entgegenzuhalten, ein fragiles Band zwischen zwei Welten, die längst hätten getrennt sein sollen.
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Denn wenn Oswin wirklich hier war, wirklich lebte, dann war Corvus nicht der, der er all die Jahre geglaubt hatte zu sein. Dann war vielleicht nichts mehr so, wie er es für unumstößlich gehalten hatte.
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Seine Hand hob sich. Zögerlich. Es war keine Drohung, keine Einschüchterung. Nur ein stilles, unvollkommenes Angebot. Eine ausgestreckte Hand, die mehr bedeutete, als jedes Wort hätte vermitteln können. Ein Eingeständnis. Eine Bitte. Vielleicht die Frage nach Vergebung?
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Langsam, zäh wie kaltes Harz, löste Corvus sich aus seiner Starre. Jeder Schritt fühlte sich an, als würde er gegen die Schwerkraft selbst kämpfen. Seine Beine waren schwer, seine Brust eng, als schnürte ein eiserner Ring seine Rippen zusammen.
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Zwei Worte, hauchzart gesprochen, doch in Corvus hallten sie nach wie ein Hammerschlag auf blankem Stein. Immer wieder, bis nichts als taubes Dröhnen übrig blieb. Er stand nur da, starr wie eine Statue, das Herz wie eingemauert in der Brust, unfähig zu begreifen, was seine Augen ihm zeigten.
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Wut war ein so hässliches Gefühl. Ein beständiges Nagen, ein hungriges Tier, das nie satt wurde, egal, wie oft man es fütterte. Es zerfraß einen von innen heraus, nagte an den Knochen, am Verstand, ließ nichts als brennende Ruinen zurück. Ein glühender, fiebriger Puls unter der Haut, der einen antreiben konnte — oder zerstören.
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Normalerweise waren die Grenzen scharf gezogen. Schwarz und Weiß, Schuld und Sühne, Sein oder Nichtsein. Seine Aufträge ließen sich mit seinen Überzeugungen vereinbaren, mit dem Weltbild, das er sich zurechtgelegt hatte. Sie hinterließen ein Gefühl von Ordnung, von Bereinigung. Von Sinn.
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Vielleicht war es ein Akt der Gnade, es schnell zu beenden. Vielleicht auch nicht. Das würde sich noch zeigen. Wenn nicht heute, dann an einem anderen Tag. Sein Blick glitt zur Tür. Jeden Moment würde Kubiak dort auf seiner Schwelle stehen. Würde eintreten und sich setzen, ohne zu ahnen, dass er sich in den Sessel eines Scharfrichters begab.
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In dem Sessel neben seinem hatte es sich Perseus mit seinem Skizzenbuch gemütlich gemacht. Die Nase so tief in den Seiten vergraben, dass Corvus schon fast befürchtete, er würde jeden Moment versuchen, mit dem Ding auf Tuchfühlung zu gehen.
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Ja, selbst jemand wie er hatte Freude an solchen kleinen Dingen. Sie erdeten ihn, hielten die finsteren Gedanken im Zaum, die hinter seinen Schläfen wüteten wie ein grässlicher Herbststurm – kalt und ungemütlich. Seine Gedanken waren das komplette Gegenteil von dem sicheren Rückzugsort, den er sich hier in Stellans geschaffen hatte.
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Obwohl er im Sommer die Sonne nach Möglichkeit mied, vermisste er die goldenen Stunden schon jetzt.
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Corvus schätzte die Stille. Für ihn war sie mehr als nur das Fehlen von Geräuschen — sie war eine Art Zuflucht. In der Stille fand er eine seltene Form der Ruhe, besonders in den späten Stunden der Nacht. Wenn der Lärm des Tages verklungen war und die Welt um ihn herum leise wurde, bot sich ihm die Gelegenheit zum inneren Rückzug.
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