Alle Inplayzitate
![]()
Es war seltsam. Ja, Heyne war schon immer ein zurückhaltender Mensch gewesen, jemand, der sich nicht gerne in die Karten schauen ließ und nicht wollte, dass andere wussten, was in ihm vorging — warum sonst sollte er seine Gedichte sonst noch immer unter dem Namen eines anderen veröffentlichen — aber Charlie war von dieser Regel bisher immer ausgenommen gewesen. Charlie war der eine Mensch in seiner Freundesgruppe gewesen, vor dem er sich nie hatte verstecken müssen, vor dem er sich nicht hatte verstecken wollen.
Aber jetzt? Jetzt stand Heyne in Charlies Küche und fürchtete, dass Charlie ihm einfach so die Freundschaft kündigen würde, wenn er erfahren würde, dass Heyne Knoblauch mehr ertrug, als dass er ihn mochte. ![]()
Er musste sich nicht vor Charlie verstecken. Charlie mochte ihn, weil er er selbst war, nicht obwohl er er selbst war. Ihre Freundschaft, die der Gruppe, war nicht dabei zu zerbrechen, weil Heyne zu viel von sich preisgegeben hatte, nicht weil er sich zu sicher gefühlt hatte ...
Oder? ![]()
Heyne spürte, wie sich seine Augen weiteten, wie er einen weiteren Schritt zurücktrat, seinen eigenen Schläger beinahe schon wie einen Schild vor sich hielt. Es war kein Geheimnis, dass Heyne ein zurückhaltender Mann war, dass er schüchtern, gar ängstlich sein konnte. Aber er hatte noch nie zuvor in seinem Leben Angst vor einem seiner Freunde gehabt. Angst um sie, definitiv, Angst, dass sie ihn verlassen könnten, aber niemals Angst vor ihnen.
![]()
„I mean, he’s going to love it but, you do realize what you’re subjecting us to, right?“ Sein Blick wanderte zu Eliyas und er zog fragend die Augenbrauen in die Höhe. „He’s going to wear that! And I do mean, only that! You’re subjecting us to a ‘Freddie in nothing but underwear and a bowtie’ evening!“
![]()
Humor. Humor war gut, Humor war sicher. Solange sie lachten, schrien sie sich nicht an — oder flennten, in Heynes Fall.
![]()
„Du bist auch nicht recht viel sportlicher“, murmelte Heyne also stattdessen, während er sich von Charlie, der in Thema Herzlichkeit vermutlich jeder alten nach Mottenkugeln riechenden Tante Konkurrenz leisten konnte, durchschütteln ließ.
![]()
Erstens, Heyne fror schnell, also war jede Aktivität, bei der man nicht mindestens zwei Lagen tragen konnte, absolut nicht geeignet für ihn.
Zweitens, Heyne hatte die Reaktionsgeschwindigkeit einer Schildkröte — außer es ging darum, sich wegen irgendetwas Sorgen zu machen, da war er erstaunlich schnell. Und drittens, Heyne hatte zwei linke Füße - und zwei linke Hände — und vielleicht sogar zwei linke Knie. ![]()
Für Heyne bestand keine Frage, dass Oleander Caulfield früher oder später immer mitbekommen würde, wenn einem ihrer gemeinsamen Freunde etwas passierte. Vielleicht, weil er als Krankenpfleger arbeitete. Klar, das tat er zwar auf der Kinderstation, aber erstens benahmen sich Heynes und Ollies Freunde eh eher so, als würden sie genau dort hingehören - gut Heyne von Zeit zu Zeit vielleicht auch - und zweitens ging Heyne davon aus, dass gewisse Sachen in Krankenhäusern eben die Runde machten. Sachen wie ‘Übrigens einer deiner Freunde ist von seinem Balkon gestürzt und hat sich den Kopf aufgeschlagen’.
![]()
Er würde also wohl oder über dastehen müssen und zusehen, wie Charlie langsam aber sicher verblutete. Wenigstens wäre das Erlebnis vermutlich traumatisch genug, dass Heyne ein paar tief bewegende Gedichte darüber schreiben könnte.
![]()
Aber vielleicht würde das alles auch nur schlimmer machen. Weil Heyne den Splitter doch spüren kann. Weil er doch sieht, wie sich die Infektion, die von der Wunde ausgeht, langsam aber stetig durch das Fundament frisst, auf dem sie ihre Freundschaft errichtet haben.
![]()
‘Der Einzige, der dir sagt, dass du dich zusammenreißen sollst, bin ich!’ knurrte Attila in Heynes Kopf und der junge Magier wusste sofort, was sein Familiar damit ausdrücken wollte. Reiß dich zusammen, rede mit deinen Freunden, sag ihnen endlich, was dich beschäftigt. Aber das war so viel leichter gesagt, als getan und es war noch viel leichter gesagt, wenn man ein Igel war, der den ganzen Tag in einer Jackentasche herumgetragen wurde.
![]()
Heyne hatte die Hände tief in den Taschen seiner Jacke vergraben, während er durch die Straßen Stellans schlenderte. Dabei war das Wort schlendern vielleicht etwas irreführend. Von außen mochte es zwar aussehen, als wäre der junge Mann, bewaffnet mit wenig mehr als einer Tasche, die bei jedem Schritt leise vor sich hinklirrte, auf einem Spaziergang, aber wenn man das Herz, das wie ein aufgeregter Vogel in seiner Brust um sich schlug, hören könnte, dann würde man vielleicht sogar annehmen, er wäre auf dem Weg zu seiner eigenen Hinrichtung, nicht dabei seinen besten Freund zu besuchen.
|