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Zu schmal war der Grat geworden; auf der Suche nach seiner eigenen Seele lief er an Tausenden knorrigen Bäumen vorbei, an denen Tausende von Stricken baumelten, und alle knarzten sie seinen Namen, trugen seine Initialien, wartend darauf, dass er ihr Erbe annahm und sich zu Grabe tragen ließ.
Die Illusion ist, dass das, was wir teilen, nicht schmerzhaft ist. Manchmal will ich es aber verschleiern. Manchmal will ich nicht so gnadenlos sein und mich daran erfreuen, wie grausam es ist, was wir einander antun.
Er konnte sich sogar nur noch vage an sie erinnern, wie als hätte der Mann von damals nur in seinen Träumen existiert. Und wie an einen Traum, dachte er auch an ihn nur kurz nach dem Aufwachen oder dann, wenn ihm selbst siedendheiß auffiel, wie er sich verändert hatte. Denn natürlich verstand selbst James Balfour in all seinem Zynismus, dass es nicht nur die Welt war, die sich gewandelt hatte, sondern vor allem auch er selbst.
Da war nichts, das ihn davon abhalten konnte, ihr mit seinen Worten weh zu tun, weil es besser war, als sie glauben zu lassen, sie würde von ihm verschont bleiben. Er liebte sie zu sehr, um sie anzulügen.
In Momenten, in denen er sich von ihr hätte abwenden sollen, weil sie ihre Liebe tragisch verfärben musste, denn Realität war für sie so schwer zu ertragen, die doch durch und durch Träumerin war, hatte er seinen Stolz geschluckt und mitgespielt.
Verzweifelt, das war er. Armselig, in ihren Augen, aber auch in den eigenen.
Verzweifelt, das war er. Armselig, in ihren Augen, aber auch in den eigenen.
Der schroffe Ton Schofields fuhr ihm wie eine Hand ins Gesicht, die er jedoch begrüßte. Wie ein Schlag in die Fresse, über den er sich so sehr freute, dass ihm ein breites Grinsen den Mund spaltete und ihm zugleich Tränen in die Augen schossen.
Vielleicht hatte er die ganzen letzten Monate erträumt, hatte sich selbst Margot selbst wieder ins Leben seiner Traumwelt gepflanzt, wie als würde er ein Unkraut (so schön, so giftig für die restliche Flora) in seinem Garten hegen und pflegen und dabei zusehen, wie es nach und nach den Ausblick aus seinem Fenster für sich einnahm und nachts sogar zwischen Fenster und Rahmen die Blütenblätter und Stengel zwängte, danach flehend, dass er es einließ.
”Ich hoffe, du hasst es, mein Gesicht zu sehen. Für den Rest deines elendigen, armseligen, bemitleidenswerten Lebens werde ich dir im Nacken sitzen. Du wünschst dir meinen Tod? Dann sei nicht so feige, Mann. Tu, was anderen nicht gelungen ist. Pack selber an.”
Er träumte noch immer in Blau. Nicht einmal der Krieg und sie sandige Hitze am Suezkanal hatten ihm die Farbe von der Netzhaut brennen können. Die Farbe, in der er seit seiner Jugend das Leben sah; Farbe wie gepanschter Himmel und Wasser ohne Tücke; eine Farbe wie Leben aber auch wie der Blues selbst; eine Farbe wie die Melancholie, in die Margot und er gleichermaßen verliebt gewesen waren.
Margot würde immer die Weinende sein, immer die Madonna mit den perlenden Tränen, doch James hatte das ultimative Verbrechen damit begangen, sich zu verändern.
Und doch wollte er, dass Margot diese Taubheit wegweinte. Wollte ihre Tränen auf der Haut spüren; noch schmerzhafter war nur die Vorstellung, wie sie den Mund in die Handfläche drehte und mit den Lippen die Narben küsste, als könnte sie damit heilen, was der Krieg ihm genommen hatte.
In Margot D’Ambrosio’s Welt flogen selbst tote Vögel noch.
Dass sie keine Geheimnisse vor Cillian hatte, glaubte er nicht eine Sekunde lang. Er kannte Margot. Sie hatte Knicke und Ecken in ihrer Seele, die sie weder ihn noch sich selbst jemals hatte erforschen lassen.
Das fühlte sich an wie sterben. War sie schwanger? Unverheiratet und schwanger? Wollte sie Lorraine ins Grab bringen? Ihre Eltern? James hätte fast bestialisch aufgelacht — da brachte der zweite Weltkrieg ihren Vater nicht um, aber eine unehelich schwangere jüngste Tochter würde das schaffen, was den Nazis nicht gelungen war.
Er sah fast aus wie jemand, der sie noch alle beisammen hatte. Aber sah man in seine Augen, toste darin ein Sturm, als wären seine Pupillen ständig in Bewegung, wie Löcher im Meeresboden — dunkel, nicht ruhig. Finster, nicht friedlich.
Er spürte seine Liebe zu Margot wie sein fehlendes Bein, entrissen und unsichtbar und doch weiterhin schmerzend, egal wie wenig Sinn dies für seinen Verstand auch ergab.
Fast vermisste er die Realität, vermisste wie es war, konstant in echter Gefahr zu leben, denn die unechte Gefahr, das Echo jener Zeit, war schwerer zu erklären und unmöglicher zu ertragen.
Ihre Freundschaft war unvermeidbar gewesen, und James war sie damals tatsächlich wie ein Geschenk erschienen; ja, er hatte Cillian nie als irgendetwas anderes als harmlos, wenn nicht sogar witzig empfunden. Ein Mann, der sich selbst sehr ernst nahm und damit unweigerlich urkomisch war.
Cillian Vaughn kannte kein Ehrgefühl, genauso wenig wie Rücksicht, und ebenso rücksichtslos wollte James ihm am liebsten Ehrgefühl in den Körper prügeln.
Sie sollte sich bewusst sein, dass er ein Fremder war. Denn er wollte nicht länger der ihr hinterher hechelnde Hund sein – diese Rolle füllte mittlerweile, da war er sich sicher, Cillian Vaughn aus.
James schwieg sich über ihren offensichtlichen und doch unsichtbaren Begleiter aus, aber sein Schweigen war tatsächlich anders gefärbt als früher. Ihm wohnte keinerlei Vorsicht mehr inne. Es war penetrante Wortlosigkeit, zu Härte geformt, lauter als ein Schrei es wäre.
Nun, da er ihre Stimme nach Jahren wieder vernahm, verspürte er einen lodernden Hass auf ihren perfekten Klang. Und Verachtung für die Zärtlichkeit, die jener in ihm weckte. Selbst wenn er Margot D'Ambrosio zürnte, erkannte sein Inneres in ihr noch immer die Heilige, in deren Gunst er stehen wollte. Die Muse, nach deren Kuss er sich verzehrte.
Aber spätestens seit er von ihrer Verlobung mit Cillian Vaughn wusste, sah er Margot D’Ambrosio so, wie sie wirklich war.
Bemitleidenswert, aber hasserfüllt. Und wenn es ihr so einfach gelang, hier aufzutauchen, musste sie ihn noch mehr hassen, als er sie.
James hatte sich so lange seine Rückkehr nach Stellans, aber mehr noch seine Rückkehr zu Margot, ausgemalt, bis er sie sich nicht mehr hatte ausmalen können. Bis seine Vorstellungskraft ausgeschöpft und ausgedörrt gewesen war; abgewürgt von dem Grauen, das um ihn herum stattfand und das jedwede Phantasie aus einem herauspresste.
”Unerhört. Die können es sich wohl leisten”, erwiderte Jamie leidenschaftslos auf die Aussage seiner Schwester die Hudsons betreffend. Er konnte sich nicht für das Geschwätz der Nachbarschaft begeistern, auch wenn er aufgrund von Loris detaillierten Geschichten über Familien wie die Hudsons oder Ehepaare wie die Bellingtons gezwungenermaßen stets gut informiert war.
Seit Wochen wollte James seine jüngere Schwester schütteln, wollte ihr dieses perfekte Lächeln aus dem Gesicht wischen, damit sie zugab, dass sie ihn nicht wiedererkannte und dass er verändert war und dass einfach nichts an ihm mehr in ihr Leben passte. Aber er tat es nicht, sondern quälte sie beide damit, dass er genauso sehr wie sie tat, als wäre überhaupt nichts.
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