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Manchmal fragte er sich, ob er das mit Gott falsch verstanden hatte, ob allen klar war, dass er nicht existierte, und es sich dabei von Anfang an um ein Spiel gehandelt hatte, welchem sie sich alle widmeten, weil sie sonst nicht wussten, wohin mit sich. Ihr Glaube hatte keine Bedeutung, er war lediglich ein Zeitvertreib. War es mit dem Krieg dann ähnlich, war dieser nichts weiter als ein dummer, tödlicher Zeitvertreib?
Mit der Zeit war sein Glaube an Bedeutung genauso erstickt wie sein Glaube an Gott, auch wenn ihn dies nie vom Beten abgehalten hatte, ihn in seiner Verzweiflung vielmehr noch weiter angetrieben hatte, immerzu ein Flehen darum, dass man ihn eines Besseren belehren würde.
Schon wieder verließ Benjamins Kehle ein halb lachender, halb erstickter Laut. Seine Schultern bebten, auf seinen Wangen brannten noch immer erhitzte Tränen. ”What is war if not stupid?”
Der Krieg war vorbei und er war es auch nicht, weil es keinen Unterschied zu machen schien, dass Benjamin sowohl ihn als auch Kairo und die abscheuliche Uniform hinter sich gelassen hatte - er konnte sie noch immer spüren, als hätte sie sich in sein Wesen gebrannt, als wäre das eine nicht mehr vom anderen zu trennen, als würde es nicht mehr den Krieg dort draußen und ihn hier drinnen geben, sondern nur noch Benjamin und der Krieg.
Wie im Sand versunken fühlte er sich. Als hätte man die Marke von der Kette um seinen Hals abgetrennt und ihn zurückgelassen in der plötzlich so eisernen Wüste, in welcher er tiefer und tiefer sank, wie ein Schiff, durch dessen Herz man eine tonnenschwere Kugel gejagt hatte. Seine Lunge füllte sich mit Wasser, sein ganz eigenes rotes Meer, in welchem er ertrank und dann doch wieder nicht, weil das alles nur eine Lüge war, eine schrecklich grausame Lüge, ein Albtraum, aus dem zu erwachen sich unmöglich anfühlte, wie eine gesprengte Brücke zu überqueren.
”Was mache ich hier?” Ein Flüstern, mehr eine Frage an sich selbst als an Bär, denn erst jetzt schien ihm wahrhaftig zu dämmern, wo er sich eigentlich befand. ”Bin ich hierher gelaufen?” Im schweißgetränkten Schlafanzug.
An seinen Scherzen gab es nichts zum Lachen, sie sorgten nur dafür, dass es einem unangenehm den Rücken hinab lief. Aber konnte man es einem sterbenden Mann verübeln, nicht mehr lustig zu sein?
Vielleicht hatte er sich einmal zu oft zurück in seine Heimat gewünscht oder zu lange in die Sterne über sich gestarrt, um nicht den Gott zu provozieren, der ihm aufgrund seines nachlässigem Glaubens ohnehin nicht allzu wohlgesinnt gegenüber war.
Die Welt versank im Rot der Styx, die sich über ihnen erhob und die Gräben flutete, um die Toten mit sich zu nehmen. Wie ein Tsunami breitete sie sich aus. Ein Sturm, welcher sein Herz in Benjamins Brust fand, seine Kehle empor stieg und seine Atemwege überschwemmte.
Er sah wieder zu Balfour. Auch er wirkte in seinem Anzug wie eingefallen, fehlplatziert und zugleich doch nur wie eine weitere Falte im Stoff.
Für Benjamin schien der andere noch immer voller Widersprüche zu sein, denn während er aussah, als würde er zum Frühstück kleine Kinder verschlingen, hatte Benjamin noch nie sorgsamere Hände dabei beobachtet, wie sie Teesorten zusammenstellten und Wasser zum Kochen brachten.
Es war Herbst, als er selbst das erste Mal wahrhaftig zu spüren bekommen hatte, wie es sich anfühlte, zu sterben, und Herbst, als ihn das Brennen in jeder Faser seines Körpers daran erinnert hatte, dass er doch noch lebte.
Früh am Morgen hat man es beim Ernten am Ruhigsten. ”Bei dem Wetter vermutlich erst recht”, rutschte es Benjamin dann im unverständlichsten Brummie-Akzent über die Lippen, ehe er mit einem Räuspern den Blick von Gabriel abwandte und flüchtig an der Straßenbahnstation entlang wandern ließ.
Sein Lächeln wirkte stumpf, als hätte man versucht es mit einem Messer in Stein zu meißeln, nur um dann bei den Mundwinkeln doch wieder abzurutschen, so dass jene selbst dann noch stets ein Stück in die Tiefe gezogen zu sein schienen. Und in seinen Augen lag die Schwere eines Wunsches, den er nicht auszusprechen wagte, weil er doch eigentlich froh sein sollte.
Sein Lächeln wirkte stumpf, als hätte man versucht es mit einem Messer in Stein zu meißeln, nur um dann bei den Mundwinkeln doch wieder abzurutschen, so dass jene selbst dann noch stets ein Stück in die Tiefe gezogen zu sein schienen.
”Ich weiß, dass das eigentlich nicht zusammenpasst, aber …” Niemand brauchte einen nicht-magischen Tischler in Stellans. ”Ich trinke gerne Tee”, und wenn das kein Argument dafür war, dass er der perfekte Mann war, um in einer Teestube zu arbeiten, dann wusste er auch nicht weiter.
So mancher hätte seine Angst sicherlich auf den Mann geschoben, welcher vor ihm stand und so breit gebaut war, wie ein Bär, welcher einen innerhalb kürzester Zeit mit seinen Pranken in zwei reißen konnte, aber Benjamin hatte schon schrecklichere Dinge gesehen, als einen Mann, der zum Frühstück eine ganze Bäckerei verputzen konnte.
Aber anstatt ihnen beiden den Gefallen zu machen und sich umzudrehen und ohne ein weiteres Wort an den anderen zu richten, welcher selbst Benjamin gegenüber so wirkte, als hätte er vergessen, dass man irgendwann auch aufhören musste, zu wachsen, vergrub er nun die unruhigen Hände in den Hosentaschen.
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