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Seit seiner Rückkehr nach Stellans fühlten sich die Monate nebliger an. Ihre Versuche die widersprüchlichen Gefühle zu verdrängen, führten zu einer Aushöhlung in ihr, zu einer Abwesenheit, die sich von innen langsam nach außen trug.
Ich weiß, dass du dich nicht als Held betrachten willst. Auch dafür bist du zu nobel; nur um mir das Herz zu brechen, dafür hast du dir deine Hände schmutzig gemacht.
Es war als hätte er sich dieses Mal in eine Sprache übersetzt, die Margot verstand. Die Echos klangen in Stürmen: Du kannst uns nicht heilen, du kannst nicht heilen, was du getötet hast. Welche Farbe hatte das Blut in an ihren Händen? In welcher Farbe war ihre Liebe gestorben?
All ihr Flehen, ihre Bestechungsversuche und Verwünschungen waren bei ihm auf Taubheit gestoßen. Ihr nobler, nobler James. Sie hatte gegen sein Pflichtbewusstsein und Ehrgefühl, welche sie manchmal so liebte, verloren. Seine Selbstlosigkeit war ihr Feind geworden und sie hätte sich gewünscht, er wäre mehr Feigling gewesen.
Viele ihrer Ansichten und Glaubenssätze hatte sie mit James abgelegt, sich von ihnen getrennt, obwohl sie in ihr verwachsen waren. Haut über Haut. Mit jeder Häutung war sie wund gewesen, sie trug James Handschrift auf rohem Fleisch.
Aber er fürchtete sie zu vertreiben - so erklärte Margot es sich zumindest - behandelte sie wie eine Blüte aus Staub, die unter zu viel Druck einging. Manchmal liebte sie ihn dafür, für die Sanftheit und sein ewiges Verständnis. Manchmal sah sie auf ihn herab, für seinen Mangel an Kontrolle und Dominanz.
Und von ihrem ersten Kuss an überließ sie es Cillian ihr ein gutes Gefühl zu geben, die Wunden zu heilen: Die alten und die, die jeder Kuss aufriss.
Das war es, was sie tat, wenn ihr Blick umherschweifte: Sie versuchte, ihn oder eine Version von ihm zu finden. Und eines Tages fand sie ihn. Sie fand ein Stück von ihm in Cillian.
Wenn Margot neidisch auf ihre Schwester war, dann nicht, weil sie ihr dieses Leben nicht gönnte. Gott, wem wenn nicht ihrer liebsten Schwester würde sie dies sonst wünschen? Nein, wenn Margot auf ihre Schwester neidisch war, dann tat sie sich vorrangig selbst leid; weil sie sich in einen Mann und ein Leben verliebt hatte, das ihr nie zugestanden hatte
Wenn es auch nicht ihr Herz tat, dann war es zumindest Margots Anstand, der sie dazu trieb, sich von James zurückziehen. Cillian war gut zu ihr und es verdiente nicht, dass sie ihm bei der ersten Gelegenheit hinterging. Wobei … sie hatte ja nichts getan. Bloß eine Berührung, ein Handstreich, ein Blick - nichts daran war verwerflich, schließlich hatte sie Geschichte mit James. Und mit Cillian Zukunft.
Ihre Stimme war ein Flehen und eine Beschwörung zugleich; James widerstand beidem. Er sprach die Klage nicht aus, aber sie wusste, dass er ihr vorwarf, in Grausamkeit zu glänzen.
Um den Betrug zu ertragen, dass sie seinen Ring an ihrem Finger trug, hatte sie James zu einem Sehnsuchtsgebilde verkommen lassen.
Ich verträume mich in meiner Sehnsucht.
Dabei hatte er immer gewusst, wie fragil sie war. Lieblich und schön, aber verwundet. Dass unter dem zarten Schleier der Melancholie, in den er sich verliebt hatte, unglücksfarbene Betäubung lag.
Aurora war so zahm und fromm. Jedes Verlangen, das auch nur androhte sich in ihr einzunisten, hatte sie sicherlich selbstgeißelnd ihren Priestern zur Beichte gebracht. Oder in sich verstummen lassen.
Cillian war die Instanz in ihrem Leben, die sie zusammenhielt und sie überließ ihm züchtig so viel Kontrolle, so viele Entscheidungen über sie, dass sie sich darüber nicht den Kopf zerbrechen musste.
Zornesröte kroch von ihrem Dekolleté den Hals hoch, keine Provokation perlte an ihr ab, alles traf in die Wunde, die sie seit Jahren liebevoll pflegte.
Später in der Nacht hatte sie Cillian angelächelt, während James und sie einen langsamen Blues tanzten. Zum Abschied hatte sie ihn sogar umarmt und angetrunken wie sie war, seine Wange geküsst. An nichts davon erinnerte Margot sich. Irgendwann war Cillian einfach da gewesen. Immer im Schatten von James.
Sie fühlte sich wie ein Wesen, das zwischen Zukunft und Vergangenheit hing - nicht bereit mit Cillian weiterzugehen, nicht willig zu James zurückzukehren.
Für eine Zeit waren James Briefe, seine blütenreinen Liebesversprechen und das lechzende Verlangen in seinen Worten nach ihr zwar genug gewesen. Margot hatte sich von einem Brief zum nächsten gehangelt, aber irgendwann war sie dazwischen eingebrochen.
Sie liebte Cillian. Sie liebte, wie er sie liebte. Sie liebte die Idee von ihnen als Paar. Die Idee ihrer Ehe, ihrer Zukunft, ihrer gemeinsamen Familie. Sie liebte ihn dafür, dass er da war als sie zu Grunde gegangen war. Für seine sanften Händen und das süße Flüstern. Sie war es ihm schuldig, ihn zu lieben.
Sie versuchte es wirklich. Sie versuchte kleiner zu werden, weniger von Begierden und Sehnsüchten getrieben.
Sie war nicht mutig und widerspenstig, sondern im höchsten Maße angepasst und vorsichtig: Sie war immer vor dem Fenster stehen geblieben. Die Hand wehmütig ans Glas gelegt und den Blick in die Ferne gewandt, ja, aber sie hatte sich immer vor den Scherben gefürchtet, die der wahrhaftige Einbruch in die Welt bedeuten würde.
Aber kein Gebet hatte ihr Jamie zurückgebracht. Und keine Demut, keine Nächstenliebe und keine Barmherzigkeit ließ sie verzeihen, was er ihr angetan hatte.
Vielleicht war Margot nur für das schöne Leiden geschaffen, für die süße Melancholie, für die perlenden Tränen … nicht aber für das, was das jahrelange Warten auf James Rückkehr aus ihr gemacht hatte.
Der Gedanke war nur schwer zurückzudrängen, aber sie erwischte sich einmal mehr dabei, wie sie darüber nachdachte, dass ihr Kind einmal besser sein würde. Süßer, stiller und braver. Und auch sie würde besser sein als Aurora. Geduldiger, nachsichtiger, liebevoller.
James war ungreifbar für sie geworden. Er war eine quälende Erinnerung geworden, eine Vergangenheit, die in ihr lebte und starb - eine Fäulnis, so süß sie auch war, sie verrottete in ihr.
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