Du bist das Nesthäkchen der Familie — von klein auf wurdest du behütet, umhegt, beschützt, manchmal ein wenig zu vorsichtig behandelt. Deine Eltern und Geschwister haben dich abgeschirmt von den Stürmen der Welt, als könnte ein zu scharfer Windhauch dich forttragen. Eigentlich hat dich das schon immer geärgert, denn wenn es eines gibt, das du nicht bist, dann zerbrechlich. Zumindest wirst du nicht müde, deine Familie daran zu erinnern, wenn sie es wieder einmal wagen, für dich in die Bresche zu springen oder in deinem Namen Dinge zu richten. Dass du insgeheim aber verdammt froh über den Welpenschutz bist, den du nach wie vor genießt, behältst du selbstverständlich für dich.

Denn du möchtest viel lieber selbstständig sein. Möchtest deine Probleme eigenständig in den Griff bekommen, genauso wie es Arvin und Velma dir vorleben. Seit du denken kannst, blickst du zu deinen Geschwistern auf. Während dich und Velma fünf Jahre trennen, sind es bei dir und Arvin ganze acht. Trotzdem hast du in den beiden deine gesamte Kindheit über immer deine engsten Freunde gesehen, was vielleicht auch daran liegen mochte, dass du als Kind unglaublich schüchtern warst und es dir schwer fiel, außerhalb der Familie, Freundschaften zu knüpfen.

Von deiner Schüchternheit ist heute allerdings nicht mehr viel übrig. Du bist höflich, du bist gut erzogen, aber du bist auch direkt. Während Velma mit Bedacht formuliert und Arvin seine Worte mit Freundlichkeit abwägt, bist du es, der oft einfach ausspricht, was alle denken. Deine Zunge ist scharf, doch nie verletzend, dein Witz blitzschnell, aber nie ohne Herz. Du magst das Küken der Familie sein, aber das bedeutet nicht, dass du still und angepasst in der Ecke sitzt. Oh nein, du stellst Fragen, du stellst Regeln infrage, du stellst die Welt auf den Kopf, wann immer es dir beliebt.

Stillstand ist dein Erzfeind. Dein Kopf ist eine Wundertüte voller Ideen, deine Hände immer in Bewegung. Heute formst du Ton zu kleinen Meisterwerken, morgen tropft Wachs von deinen Fingern, übermorgen hältst du eine Lupe über das faszinierende Reich der Käfer. Malen, Kerzenziehen, Schnitzen, Pflanzenkunde — es gibt nichts, das dich nicht reizt, nichts, das du nicht zumindest einmal ausprobiert hast. Und wer weiß? Vielleicht bist du morgen bereits auf einer ganz neuen Fährte. Dein Wissensdurst ist unersättlich, deine Neugier grenzenlos, und genau das macht dich so klug. Es ist nicht bloß Schulwissen, nicht bloß auswendig gelernte Antworten. Du willst verstehen, erforschen, erleben.

Arvin und Velma waren immer deine Verbündeten, deine Partner in jeder noch so verrückten Idee. Sie waren dein größter Rückhalt. Doch heute ist Velma mit ihren eigenen, persönlichen Dämonen beschäftigt. Und Arvin? Der ist längst weg (nur vierzig Schritte, aber das zählt!), fortgezogen in ein Leben, das sich immer weiter von deinem entfernt. Du sagst dir, dass es normal ist, dass es so sein muss. Dass sie sich nicht ewig um dich kümmern können. Und doch... gibt es Momente, in denen du dich unsichtbar fühlst, als hätte sich die Welt ein Stück weitergedreht und dich nicht mitgenommen.

Und als wäre das nicht genug, rückt die eine große Frage immer näher: Bald ist die Schule vorbei. Was dann? Alle scheinen zu erwarten, dass du einen Plan hast, dass du weißt, wo dein Platz ist. Aber warum solltest du dich jetzt schon festlegen, wenn die Welt noch so viele Türen für dich bereithält? Am meisten aber frustriert dich, dass du noch immer wie der kleine Junge behandelt wirst, der du längst nicht mehr bist. Die schützenden Hände, die gut gemeinten Ratschläge, die unterschwellige Sorge — als wärst du ein feines Porzellanfigürchen, das beim kleinsten Sturz zerbricht. Dabei spürst du es mit jeder Faser: Du bist mehr als das. Und du wirst es beweisen. Dir selbst. Und allen anderen.

Shortfacts

• Tavish Sage Lamb
  
• 18 Jahre
  
• Ächtung 2. Grades
  
• Schüler im letzten Jahr
  

FC: Lucas Jade Zumann?

Von Anfang an hast du gewusst, was es bedeutet, ein großer Bruder zu sein. Nicht, weil es dir jemand gesagt hat. Nicht, weil es von dir erwartet oder verlangt wurde. Sondern weil es sich so natürlich angefühlt hat wie das Atmen. Velma und Tavish — sie waren nicht nur deine Geschwister, sie waren deine kleine, unvollkommene, chaotische Welt. Vielleicht war es diese unausgesprochene Pflicht des Erstgeborenen, vielleicht war es einfach nur dein Herz, das sich instinktiv danach sehnte, ein sicherer Hafen für die beiden zu sein. Velma, mit ihren nachdenklichen Blicken und den Sorgen, die sie immer ein bisschen zu früh für ihr Alter getragen hat. Und Tavish, ungestüm, neugierig, ein kleiner Wirbelwind, der nie stillzustehen schien und doch immer, fast unmerklich, nach deiner Bestätigung suchte.

Tavish war anders. Velma brauchte Worte, manchmal lange Gespräche, um ihre Gedanken zu ordnen. Tavish brauchte nur einen Blick. Ein einziges, unauffälliges Schielen in deine Richtung, wenn er sich unsicher war. Ein kaum merkliches Heben der Brauen, wenn er wissen wollte, ob er zu weit gegangen war. Ein tiefes Luftholen, wenn er sich fragte, ob er es wirklich wagen sollte. Und jedes Mal hast du verstanden. Jedes Mal warst du da. So war es immer. Bis du gegangen bist. Nicht weit. Nur ein paar Schritte die Straße runter, eine Tür, die nicht mehr ganz so leicht zu durchqueren war wie früher. Kein Drama, nur dieser feine Riss, der sich still und heimlich in das Gefüge eurer kleinen Welt geschlichen hat.

Für dich war es der nächste Schritt, für ihn war es ein Bruch in der Routine. Er würde es nie laut sagen. Tavish ist nicht der Typ für große Worte, wenn es um Dinge geht, die wirklich wehtun. Aber du siehst es trotzdem. In der Art, wie er sich an deinen Türrahmen lehnt, als würde er sich noch nicht ganz sicher sein, ob er eintreten will. In der Art, wie er lacht — ein bisschen lauter als früher, ein bisschen gespielter, als würde er testen, ob sich damit eine Lücke füllen lässt. Manchmal glaubst du, es funktioniert. Manchmal nicht.

Du versuchst, für ihn da zu sein, so gut du kannst. Versuchst die Zeit, die er außerhalb von Adamas zur Verfügung stehen hat, zu nutzen, so gut es geht. Ein Schulterklopfen, wenn ihr euch seht, ein „Brauchst du was?“ zwischen Tür und Angel. Es ist nicht dasselbe. Ihr beide wisst es. Und doch tut ihr so, als wäre es genug. Vielleicht, weil es das sein muss.

Denn dein Leben zieht weiter, schneller, fordernder. Entscheidungen, Pläne, eine Zukunft, die du langsam aber sicher in deine eigenen Hände nimmst. Und doch — jedes Mal, wenn Tavish diese Millisekunde zu lange zögert, bevor er antwortet, jedes Mal, wenn du dieses fast unsichtbare Stirnrunzeln bemerkst, wenn du ihm erzählst, dass du keine Zeit hast — jedes Mal spürst du es. Es fehlt ihm. Du fehlst ihm. Und manchmal, nur manchmal, fragst du dich, ob er weiß, dass es dir genauso geht.

Shortfacts

• Arvin Tarragon Lamb
  
• 26 Jahre
  
• Ächtung 2. Grades
  
• Botaniker
  

FC: Tom Holland