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Nur Joaquin wusste, wie sehr sie sich darum bemühte, diese Farce aufrecht zu erhalten. Vermutlich schmerzten ihr längst die Wangen vor Anstrengung, wobei es ihn auch nicht gewundert hätte, wenn Aurora sich dieses falsche Lächeln längst ins Gesicht genäht hätte, um ja keinen anderen Ausdruck zuzulassen.
Ihm hätte bewusst sein müssen, dass eine Frau wie Aurora glücklich zu machen, im Grunde unmöglich war. Ihre Ansprüche waren zu hoch, ihre Finger zu gierig und doch nie zufrieden mit den, was sie zu greifen bekam. Er konnte ihr Kinder schenken, ihr unzählige Kleider kaufen, mit seinen eigenen Händen ein Haus im Herzen von Stellans errichten und sie würde dennoch nach mehr oder plötzlich etwas gänzlich anderem verlangen.
Wenn er ganz leise sein würde, würde man vielleicht sogar vergessen, dass er überhaupt noch da war.
Bär hasst es, Besucher zu sein. Nur Gast an einem Ort, in dem seine Kindheitserinnerungen kleben wie Insekten im Baumharz.
Margot würde immer die Weinende sein, immer die Madonna mit den perlenden Tränen, doch James hatte das ultimative Verbrechen damit begangen, sich zu verändern.
Und doch wollte er, dass Margot diese Taubheit wegweinte. Wollte ihre Tränen auf der Haut spüren; noch schmerzhafter war nur die Vorstellung, wie sie den Mund in die Handfläche drehte und mit den Lippen die Narben küsste, als könnte sie damit heilen, was der Krieg ihm genommen hatte.
In Margot D’Ambrosio’s Welt flogen selbst tote Vögel noch.
”Es könnte aber auch sein, dass er einfach in letzter Zeit seltsam gelaunt ist. Manchmal reagiert er zum Beispiel sehr empfindlich auf zu starken Kaffee. Noch schlechter natürlich auf zu milden Kaffee. Und am schlechtesten auf gar keinen Kaffee. Hat er dir gegenüber irgendetwas von Kaffee erwähnt?”
”Warte mal — du wohnst nicht ernsthaft in einer der Ruinen neben dem Moor, oder?” Sie war, im Gegensatz zu ihren älteren Geschwistern, hauptsächlich in Stellans aufgewachsen. Sie kannte die Geschichten, die sich nun federleicht in ihren Gehörgang schmiegten, wie Erinnerungen an eine wimmernde Melodie.
”Ich weiß, dass es dir Befriedigung verschafft, meine Pläne durchkreuzt zu sehen. Aber es ist nicht zu spät, dich nützlich zu machen, Chiyeol. Verschwende sein Blut. Tu es für mich, nicht für sie.”
Weil er hasste, wie vertraut ihm dieses Grinsen war, dass er es selber hätte malen können, auch ohne Künstler zu sein. Dass er dieses Lächeln fast hörte, mehr als das Krächzen, mit dem Chiyeol seine Worte anführte.
Und wenn sie einander beleidigten, hatte es mittlerweile den Anschein, als würden sie, obwohl sie beide an der Brust der Unterschicht liegend, heimat- und (so gut wie) familienlos, aufgewachsen waren, einander mit Handschuhen Backpfeifen verpassen. Jeder Schlag sollte moralisch erniedrigen, obwohl sie unmoralische Tiere waren.
Am liebsten hätte Chiyeol sich mit einem Eimer Farbe überschüttet, als wäre er die Leinwand und Alejandros Hand um seine Kehle, der Daumen, der gegen seine Pulsader drückte, ein Pinsel.
Er war zurückgeblieben in seiner Heimat und so sehr in Vergessenheit geraten, dass nicht einmal eine Hand, die ihm die Kehle zudrückte, Chiyeol daran erinnern konnte, wie es war, um sein eigenes Leben fürchten zu müssen.
Er wusste, dass er Chiyeol nicht umbringen würde, denn auch wenn er ihm ein Dorn im Auge war, ein Splitter im Zeh, eine dauerhafte Anomalie in seinen Rechnungen, spornte nichts und niemand Alejandro so sehr an, wie der Mann, dem er es zu verdanken hatte, dass er ein Leben in den Schatten Stellans führen musste.
Es waren keine Farben, die Alejandro zum Äußersten drängten, sondern der dringliche Wunsch, die Welt, wenn er sie nicht unterwerfen und besitzen durfte, brennen zu sehen. Doch Geldscheine, die nicht von leckenden Flammen erfasst wurden, waren ihm noch genug wert; das Casino war es ihm wert, sich und seine Impulse zu kontrollieren.
Alejandro verstand diese Mordlust nicht, die wie Quecksilber, flüssig wie Wasser, brilliant wie Silber, schwer und viskos und vor allem hochgradig giftig durch Chiyeols Körper pulsierte.
”Ertränkst du mich im Waschbecken?” Nur Alejandro war anspruchslos genug, um sich damit zufrieden zu geben, ihre ewige Fehde ausgerechnet auf der geschmacklosesten Herrentoilette von Stellans zu beenden. ”Wenn du mich erwürgen willst, solltest du vielleicht noch etwas üben.”
All diese Dinge gingen verloren in dem Grün, welches Chiyeol einnahm, als wäre es die Farbe der Wut, in welcher er ertrank, als wäre selbst das Blut in seinen Adern grün und so bitter, dass es alles in seinem Inneren aufbegehren ließ.
Warum auch immer, sah Ruben mehr als nur eine dreckige Hure in ihr. Vielleicht steckte auch nur ein so guter Mann in ihm, dass er ihr das weiterverdeutlichen wollte. Was für ein Narr.
”Mister Mahoney, Sie müssen den jungen Mann entschuldigen. Er ist Kunstfanatiker. Er fragt das praktisch jeden, mit dem er sinnliche Zeit zu zweit — nun, oder zu dritt — am Pissoir verbringt.”
Im Traum erstickt, erstochen, vom Schlaf ertränkt, nur dass Alejandro die rechte Hand des Schlafes war, und dass die Träume, die er brachte, pechschwarz in die Nasenlöcher schossen und wie umgekehrt laufende Tränen zurück in die Augen sackten, bis die Äpfel im Kopf schwammen, gummig, flüssig, bei jeder Bewegung vibrierend wie eine Oberfläche unter Schallwellen.
Am Ende dieser Beobachtung steht folgender Schluss: Es braucht nicht mehr als einen Penis und Geld um auf dieser Welt Erfolg zu haben.
Es wäre grandios gewesen, all die Fantasien, welche Chiyeol mit in den Schlaf trug wie Gute-Nacht-Geschichten endlich wahr werden zu lassen, doch zugleich … wäre es nicht genug gewesen.
Wenn es auch nicht ihr Herz tat, dann war es zumindest Margots Anstand, der sie dazu trieb, sich von James zurückziehen. Cillian war gut zu ihr und es verdiente nicht, dass sie ihm bei der ersten Gelegenheit hinterging. Wobei … sie hatte ja nichts getan. Bloß eine Berührung, ein Handstreich, ein Blick - nichts daran war verwerflich, schließlich hatte sie Geschichte mit James. Und mit Cillian Zukunft.
Ihre Stimme war ein Flehen und eine Beschwörung zugleich; James widerstand beidem. Er sprach die Klage nicht aus, aber sie wusste, dass er ihr vorwarf, in Grausamkeit zu glänzen.
Um den Betrug zu ertragen, dass sie seinen Ring an ihrem Finger trug, hatte sie James zu einem Sehnsuchtsgebilde verkommen lassen.
Ich verträume mich in meiner Sehnsucht.
Aber das war auch nur in der Theorie ein Punkt der Reue für Eliyas, denn in der Praxis benötigte es nur zehn Minuten von Peregrines Hawthrons Gesellschaft, um ihn zu der Überzeugung kommen zu lassen, dass er damals doch richtig gehandelt hatte. Der Mann war mit seiner trockenen Art und seiner Weigerung, Eliyas amüsant, charmant und attraktiv zu finden, doch nichts weiter als unerträglich.
Wissen Sie, ich habe ein Grundvertrauen in die Mitglieder meiner Vereinigung, aber auch eine außerordentlich große Lust am Leben, das ich nicht am Gespann Nakamura-Jin zu verlieren gedenke.
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