Alle Inplayzitate
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Er war alt geworden; nicht mehr der charismatische junge Mann, der mit einem Rotwein in der Hand wusste wie er ganze Abende und Gesellschaften unterhalten konnte. Und er war auch nicht mehr der junge Vater, dessen strenge Stille seinen Kindern selbst den Mund verbot. Er war von einem Akteur zu einem Beobachter geworden und auch wenn dies nicht unbedingt schlechtes war, - schließlich war er längst nicht mehr in der Position sich die Hände selbst schmutzig machen zu müssen - so war ihm die quellende Jugend seiner Kinder an diesem Tag bewusster denn je.
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Sie gaben ihm eine Bestimmung, einen Sinn und so fühlte es sich auch mit Alejandros Händen auf seiner Haut an, als würde es endlich einen Sinn machen, warum er diesen Körper überhaupt besaß, warum man ihn in diese Form gedrückt hatte, ihm mehr als die sehnigen Hände gegeben hatte, welche es benötigte, um zu töten, mehr als den nun so rosigen Mund, um den Verstorbenen eine Stimme zu geben.
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Er fühlte sich viel zu oft als wäre er nur Rauch in diesem Körper, nur ein ausgedünnter Nebel, welcher sich zwischen die kalten Wände seiner Rippen verirrt hatte und stets drohte, mit dem nächsten Atemzug zu entweichen. Wenn er sich bewegte, dann stets, als würde jemand anderes mit Fäden an ihm ziehen, darüber bestimmen, wie viel Schwung er in seine Schritte legte, ob er die Hand zu einer Faust formte, nach einem Messer griff oder etwas mit den bloßen Fingern zu zerquetschen versuchte.
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Sie hatte gewusst wie gefährlich es sein würde ihn zu provozieren, ihn zu konfrontieren und doch bereute sie selbst in Angesicht dieses Schreckens nicht für sich eingestanden zu sein. Was sie bereute war nicht doch seine Kleidung in Brand gesteckt zu haben, als sie die Chance dazu gehabt hatte und nicht selbst Opfer eines solchen Zaubers gewesen wäre.
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Dann, scharf einatmend, eine Hand in dessen Schopf geschoben, die andere über seinen Arm wandernd, während er ihn tief küsste, wie jemand mit einem Ziel. Jemand mit einem Wunsch, den er dem anderen in die Hände legte, auch wenn dessen Hände höchstens versprachen, fallen zu lassen, was man in sie drückte.
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Denn im Rainbow Road geschah nie etwas Gutes, nicht wirklich.
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Wenn man die Augen auf Vega legte machte man sich in der Regel keinerlei Illusionen darum welcher Arbeit sie nachging, welche Dienste sie anbot. Und das war ja schlussendlich auch der Sinn der Sache, mit Subtilität fand man keine Freier.
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Eliyas hielt es für nichts als eine fadenscheinige Ausrede, um mehr Zeit an diesem Wochenende mit ihm zu verbringen. Deswegen lächelte er auch so selbstgefällig und ließ sich salopp gegenüber von Maksim auf einen Stuhl fallen, von wo aus er ihn betrachtete wie als würde er überlegen, wie er ihn am besten aus seiner Kleidung bekäme - die Lider leicht gesenkt, die Ohren gerötet, die Grübchen in den Wangen voller Schabernack.
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”I can do stuff on my own quite well, thank you very much.” Eine Halbwahrheit, im besten Sinne.
Aber die nächsten Worte seines Gegenübers schaffen es tatsächlich, ihm ein unwillkürliches Schmunzeln zu entlocken, das er, in dem Moment, in dem er es bemerkt, hinter seinem Schal zu verstecken versucht. Ist es… Stolz? - Nichts, was er offen zugeben kann, zumindest. Doch in der Tat flammt etwas in ihm auf, das Stolz ziemlich nahekommt. Stolz, dass er etwas für sich hat, etwas, das nur ihm gehört, etwas eigenes - endlich -, nachdem er so lange danach gesucht hat. ![]()
Freddie weigert sich vehement, den Zweifeln, die sich in seinem Inneren aufzubäumen versuchen, stattzugeben. Er weiß, dass sie da sind, aber ignoriert sie geflissentlich. Wie ein nerviges Kind, das zu oft am Rockzipfel der Mutter zieht und nach Aufmerksamkeit verlangt, die man ihm nicht geben will.
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Er verschließt die Augen vor dem dunkel gefärbten Kopfsteinpflaster - das im Schwarz der Nacht wesentlich weniger deutlich hervorsticht als unter dem Licht der Sonne -, er wendet den Blick ab, wenn er ein Gebäude passiert, das noch vor wenigen Tagen nicht so ramponiert ausgesehen hat. Er lässt sich in die selbst aufgezwungene Unwissenheit fallen, nur um sich nicht mit den Tatsachen konfrontieren zu müssen.
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Er konnte sich sogar nur noch vage an sie erinnern, wie als hätte der Mann von damals nur in seinen Träumen existiert. Und wie an einen Traum, dachte er auch an ihn nur kurz nach dem Aufwachen oder dann, wenn ihm selbst siedendheiß auffiel, wie er sich verändert hatte. Denn natürlich verstand selbst James Balfour in all seinem Zynismus, dass es nicht nur die Welt war, die sich gewandelt hatte, sondern vor allem auch er selbst.
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Ihre Haltung war aufrecht und steif, während die andere weiter in sich zusammensank und dann sogar ihr Gesicht hinter ihren Händen verbarg. Es störte Elin sofort. Die schlanken Hände, die sich wie fleischige Vorhänge um das schöne Gesicht schlossen, das sie noch nicht loslassen wollte.
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Elin lächelte. Zögerlich und sacht als wüsste sie nicht so recht, wie sie ein angemessenes Lächeln auf ihr Gesicht zeichnen konnte.
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Aber allein der Anblick, der Frau mit den scheuen Augen, hatte einem der Zahnräder einen Tritt verpasst, es aus seiner Struktur fallen lassen, hinein, in das tiefe Loch zwischen ihren Rippenbögen. Und dort klang es nun. Laut, eindringlich, voll. Ein betörender Klang. Einer, der nur eine einzige Wahrheit bedeuten konnte: Die Fremde wollte von ihr gesehen werden; wollte dass Elin aus ihrer Struktur fiel; wollte sich im Auge des Sturms suhlen wie ein Falke, der den Wind bricht, nur um im Zentrum der Stille zu kreisen.
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Damianos, der schwarzhaarige Grieche, der zwar nicht blond, aber durchaus gewaltbereit gewesen war, hatte zumindest zur Hälfte genau in Eliyas’ Geschmacksprofil gepasst. Vor allem an die muskulösen Oberarme konnte Ambróis sich noch erinnern, aber auch daran, wie Damen jene nach jedem Orgasmus geküsst hatte und sich in seinem Selbstlob halb ertränkt hatte.
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Wo Eliyas war, war auch sein breitschultriger Schatten meistens nie weit entfernt gewesen und es hätte Ambróis noch nicht einmal überrascht, wenn Eliyas eines Tages auch den Fedorov zu ihnen ins Bett eingeladen hätte, nur um Ambróis dann wie eine einsame Jungfer auf der Kante sitzen zu lassen, während er sich mit seinem angeblich nur besten Freund vergnügte.
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Seit seiner Rückkehr nach Stellans fühlten sich die Monate nebliger an. Ihre Versuche die widersprüchlichen Gefühle zu verdrängen, führten zu einer Aushöhlung in ihr, zu einer Abwesenheit, die sich von innen langsam nach außen trug.
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Womöglich erinnerte sich Sloan an ein Gespräch vor einiger Zeit. Ein Abend, in dem Alkohol geflossen war und durch eine Verkettung aus Themen und Ereignissen zur Sprache kam, dass Irene einst einen Kinderwunsch gehegt hatte. Es war nie zur Erfüllung dessen gekommen, ebenso wenig zu einer Hochzeit mit Joyce und nun fühlten sich all die einstigen Träume, so sehr Irene sie gleichzeitig aufgrund ihrer Traditionalität auch immer belächelt hatte, unendlich weit entfernt, geradezu wie Erinnerungen aus einem vergangenen Leben.
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”First and foremost I shall always be your best friend, Maksim.” Er wusste nicht, wie er sagen sollte, dass dies separat war. Dass er ihn liebte und fürchtete, ihn als besten Freund zu verlieren, aber dass er in ihm auch mehr als das sah. Er hatte solche Angst vor der Flut an Wahrheiten, an der sie haarscharf vorbei schrabbten, dass die Versicherung wie der einzige Anker wirkte, den er sich und seinem erbärmlichen Selbst auswerfen konnte.
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Die Art, wie sie einander auf die Schulter klopften, einander ansahen, beobachteten, ja, überhaupt beachteten, war jedoch stets ein Indiz dafür, wie sehr ihre Freundschaft auf der Kippe stand. Als noch alles gut zwischen ihnen gewesen war, hatten sie immer erst nacheinander Ausschau gehalten, egal wer noch im Raum war. Und die erste Frage, wenn der andere nicht anwesend gewesen war, hatte sich immer um den Fehlenden gedreht. Anhand der Art, wie Maksim ihn zur Begrüßung anlächelte, machte Eliyas seit Jahren fest, wie willkommen er in Stellans noch war, obwohl er doch so viel Zeit außerhalb der Taschendimension verbrachte.
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„Kurz vor Schluss doch noch den Mut aufgebracht hier rein zu wandern? Typisch Touristen.“
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Woran dessen Worte nicht ganz unschuldig waren. Chiyeols Wunsch, zu gefallen, war wie ein Fieber, das ihn überfiel und Alejandro eine obszön ehrliche Antwort entlockte, die ihn kurz hinterfragen ließ, ob er über sich eigentlich noch Kontrolle hatte: ”Tonight you could do whatever you want to me and it’d please me.”
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Er wollte Ausdrücke in das Gesicht des Byuns malen, die noch nicht erfunden worden waren. Wenn Chiyeol Alejandro zu seiner Kunst machte, dann machte Alejandro Chiyeols Kunst zu seinem Geschäft und diesen Moment zu etwas, das ausgekostet, lang gezogen, nicht übereilt gehörte.
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Auf eigenen Füßen stehen, das war es doch, was sein Vater sich von ihm erhofft hatte. Verantwortung zu übernehmen. Zu beweisen, dass er mehr als der Junge war, dessen Scherben man hinter ihm wegräumen musste.
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Jetzt schien es so, als wären es Alejandros Hände, die ihn erst spüren ließen, dass er echt war.
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Maksim Fedorov war hingegen schön, weil er stark war und Sicherheit bot und weil er nun einmal einen Namen hatte, während der von Eliyas wie entliehen wirkte, unwichtig im Vergleich zu dem seinen. Für Eliyas war er natürlich auch noch schön, weil seine Hände schön waren. Weil Eliyas gern die Worte wäre, die Maksim schrieb. Weil er gern der beste Freund sein wollte, den Maksim verdiente, und den Eliyas ihm mit seinem Verhalten nur immer und immer wieder vorenthielt.
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Für Chiyeol waren die Narben wunderschön, für Alejandro waren sie einerlei. Ballast, den er trug, über den er sich nur beschwerte, wenn die Schmerzen Überhand nahmen. Der Profit, den er aus ihnen zog, war zu groß, um ihre Anwesenheit zu beweinen. Aber noch nie war er so zufrieden mit den Narben gewesen, wie in dem Moment, als Chiyeol sie berührte und mit seinem verräterischen Lob und seinen schmutzigen Händen zu geweihtem Boden machte.
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Müsste er einem Menschen seinen Untergang anvertrauen, dann wäre dieser Mensch Chiyeol Byun.
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Sie hätte das Rotkäppchen nicht herbringen müssen, sie einfach im Wald zurücklassen oder den Weg nach Hause zeigen können, doch irgendeine innere Stimme hatte sich nach Gesellschaft gesehnt, so bizarr und traurig dieser Umstand auch sein mochte. Manchmal brauchte man mehr als die eigenen Gedanken, die Stimme des Familiars und die Wörter völlig fremder auf den Seiten eines Buches um bei Verstand zu bleiben.
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