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Es lag eine Spannung in der Luft, als hätte jemand sie mit einem Zauber getränkt, der Reichtum versprach und Moral abschürfte wie eine hauchdünne Goldschicht.
Das Wohnzimmer versank in Stille, doch es war keine unangenehme. Es war die Art von Schweigen, in der trotzdem kommuniziert wurde. Alles Gesagte und Ungesagte füllte den Raum zwischen ihnen, riss das Gespräch an sich, als hätte das Schweigen selbst eine Stimme. Eine stumme Verständigung, die keine Gesten und schon gar keine Worte brauchte.
Birdie verkniff es sich zu sagen: 'Ihre Körpersprache haben Sie dahingegen perfekt dressiert.' Es wäre nicht nur zu direkt, und damit irgendwie unhöflich, sondern auch ein wenig anzüglich gewesen? Jedenfalls färbten sich ihre Wangen alleine bei dem Gedanken, diese Worte laut auszusprechen, zart rosa. Wie unschicklich von ihr, solchen Überlegungen nachzugehen.
Das verriet ihm die Stimme, die jedes Mal, kurz vor seinem Erwachen, erklang. Klar, ruhig, von einer seltsamen Eindringlichkeit durchzogen, als würde ihre Stimme nicht über seine Ohren zu ihm vordringen, sondern direkt ins Zentrum seines Bewusstseins sprechen. Nur ein Satz. Immer derselbe. Immer im gleichen Tonfall.
You will come willingly.
Die Umgebung erinnerte vage an eine Lagerhalle: hoch, weit, industriell, als sei sie aus Beton gegossen und dann dem Verfall überlassen worden. Rost an Stahlträgern, rissiger Boden, Staub in der Luft, der im schräg einfallenden Licht tanzte wie Asche zwischen zuckenden Flammen eines Lagerfeuers. Es war kein albtraumhafter Ort, nichts, dass ihm eine Gänsehaut über die Glieder kriechen ließ oder seinen Puls in Angst beschleunigte, doch Ruhe strahlte er ebenso wenig aus. Vielmehr lag über allem eine bleierne Ungewissheit, eine angespannte Erwartung, als würde jeden Augenblick etwas geschehen, ohne dass man benennen konnte, was.
Wie ein Reflex krümmten sich seine Finger auf dem Rücken des Lambs zu Krallen, doch die unangenehme Wahrheit überfiel ihn regelrecht, als er die Augen öffnete: Er würde ihn nicht ewig festhalten können.
Im Sorcery Spirits allerdings, hatte der Frühling Einzug gehalten. Warm strich er über die Haut des Shepherds, ließ seine Poren prickeln und erfüllte seinen Körper mit neuer Kraft. Vögel zwitscherten in sämtlichen Tonlagen verschiedenste Melodien die ihm zwar unbekannt waren, sich allerdings nie schöner angehört hatten. Er fühlte sich… zuhause. In den eigenen Wänden, die so viele Stunden eher einem kalten, grauen Gefängnis geglichen hatten, brauchte es eine Person, um dieses Gefühl wieder hervorzurufen.
Er wollte seine Ruhe wahren, weiter seinen Gedanken nachhängen und vielleicht, nur vielleicht, die Finsternis, die sich nicht verdrängen ließ, in Whisky ertränken. Sein Vater wäre sicherlich von Stolz erfüllt, wenn er wüsste, dass er ähnliche Bewältigungsstrategien wie er entwickelt hatte.
Sein Blick verengte sich in stummem Missfallen, ein offen einsehbares Eingeständnis, dass selbst er Gefühle besaß, die sich hin und wieder nach außen Bahn brachen und seine Gesichtsmuskulatur beanspruchten.
Trotz der vielen Lichter, die das Wohnzimmer in einen gemütlichen Ort verwandelte, fehlte es dem Haus eindeutig an Persönlichkeit, die es zu einem Heim machten. Es fühlte sich wie ein Ort an, der nicht durch Zuneigung sondern Regeln zusammengehalten wurde. Selbst der Staub wagte wohl nur mit Erlaubnis zu existieren. Und jede Kerze, die nun brannte, jeder penibel ausgerichtete Teppich, jedes lautlose Zischen der Flammen schien ihr zu sagen: Du bist hier nur gerade so geduldet.
Von Mal zu Mal verschwand Alistairs moralischer Kompass, und er bemerkte nicht, wie egal ihm das alles wurde. Egoismus war, nachdem er all die Jahre als fleißiger Excubitor gearbeitet hatte, neu und aufregend. Es tat gut, sich nicht zu unterwerfen oder nach Regeln zu spielen. Wer hatte die Regeln überhaupt erfunden? Wer bestimmte, was richtig oder falsch war? Alles dehnbare Begriffe.
"Ich dachte, wir könnten unsere letzte Sitzung fortsetzen. Die letzte endete... sagen wir: abrupt.", sagte sie in einem zuckersüßen Ton, der in der Regel dafür sorgte, dass sie bekam was sie wollte.
Ihr Blick fiel auf die schwarzen Handschuhen, die seine Finger verbargen. Immer trug er diese Handschuhe, jedenfalls hatte sie ihn bisher nie ohne gesehen. Komische Angewohnheit auch in seinem eigenen Haus welche zu tragen. Was er wohl zu verbergen hatte? Eine hässliche Narbe? Abgekaute Fingernägel? Oder ekelte er sich vor Dreck auf seiner Haut? Nein, so schätzte sie ihn eigentlich nicht ein.
Birdie hob ihren Kopf, als sich die Tür öffnete und strahlte Corvus Cresswell in sein ausdrucksloses Gesicht. Er stand dort wie ein Schatten in Menschengestalt. Regungslos, als wäre er selbst Teil des Mobiliars. Ausdruckslos wie eh und je. Doch Birdie ließ sich davon nicht beirren.
Die Stimmen um uns herum haben sich auf eine Frequenz geeinigt. Je mehr ich mich anstrenge, ihnen zu folgen, irgendetwas von ihnen zu verstehen, desto mehr verschwimmen sie zu einem monotonen Knacken, das sonst nur durch statische Aufladung entsteht. Ein Kribbeln, ein Flimmern in der Luft, das die Körper im Raum nicht einfach umgibt, sondern wie eine formbare Masse vor uns dahin schwebt.
Die Erkenntnis, dass seine bloße Existenz Gespräche beenden kann, Menschen dazu bringt, ihren Atem anzuhalten und sich nach ihm umzudrehen, ist ihm sicherlich nicht neu, sondern eher wie ein vertrauter Bekannter, der regelmäßig und nahezu unauffällig zurück in sein Leben tritt.
Der Applaus, der immer noch in meinen Ohren klingt, ist wie ein Rasseln, nur gelegentlich durchzogen von unterschiedlichen Stimmfarben, die sich schon längst nicht mehr den Raum mit mir teilen und langsam verblassen, ohne gänzlich zu verschwinden. Wie feine Nebelschwaden kriechen sie durch meinen Verstand und verknüpfen sich mit den Mündern, aus denen sie ursprünglich gekrochen sind.
Sein Lächeln perlte im ersten Moment von ihr ab. Wie Wassertropfen an einer Wasserscheibe, die ins Innere gelangen wollten. Sie hingen dort fest, schafften es nicht der Schwerkraft zu trotzen und rutschten trostlos hinab, bis sie sich in einer elenden Pfütze sammelten.
Gemieden zu werden. Nicht mehr gewollt zu werden, war ein leiser Schmerz. Einer, der nicht schreit, sondern frisst. Und er nahm einem das Vertrauen an allem Guten auf der Welt, denn es gab kaum noch Menschen, die ihr sagten, dass auch sie diese Momente verdient hatte.
Auf der einen Seite brannte die Sehnsucht, alles in Ordnung zu bringen, Cassius' Stimme wieder zu hören, seinen trockenen Humor, seine ruhige Art, die ihm stets Halt gegeben hatte. Auf der anderen Seite war da diese lähmende Scham, die ihm ins Gesicht schlug, sobald er nur daran dachte, den ersten Schritt zu tun.
Er dachte an die vielen kleinen Dramen der Vergangenheit, die ihm heute beinahe lächerlich erschienen. Damals hatte er keine Ahnung gehabt, wie schwer das Gewicht der Welt auf einem lasten konnte, wie zermürbend die Verantwortung war, wenn sie nicht mehr nur aus guten Schulnoten oder pünktlichen Heimkehrzeiten bestand. Als Kind war sein größtes Problem vielleicht gewesen, ob Mutter ihn beim Naschen erwischen würde. Heute drohten Dinge in seinem Innersten zu zerbrechen, von denen er fürchtete, dass kein Frosch der Welt sie mehr kitten könnte.
Seine eigenen Erinnerungen an den Raum, der für ihn vorgesehen war, fühlten sich jedoch brüchig an. Kein echtes Heimatgefühl hatte sich hier je verankert.
Alles in der Haltung seiner Schwester wirkte sicher, bedacht, verlässlich. Er beneidete sie um diese Fähigkeit, so leise und doch kraftvoll durch alles hindurchzugehen. Natürlich wünschte er sich manchmal, sie würde sich mehr öffnen, ihre eigenen Gefühle lauter äußern, doch genau diese Stille, die sie umgab, war auch der Grund, warum er sich in ihrer Nähe immer ein kleines Stück sicherer fühlte. Als könne nichts vollständig aus dem Ruder laufen, solange sie da war.
Diese Ruhe war ihr eigenes Terrain, eine Festung, die sie meisterhaft bewohnte, während er selbst sich schon seit Tagen wie ein Eindringling in den eigenen Gedanken fühlte.
Velmas Hände bewegten sich mit einer bewundernswerten Selbstverständlichkeit. Jede Scheibe Brot, die unter dem scharfen Schnitt des Messers in gleichmäßige Portionen zerfiel, wirkte wie ein eigener, in sich abgeschlossener Vorgang. Streichen, legen, ordnen — die Ruhe, die sie dabei ausstrahlte, schien ihn fast körperlich zu umhüllen.
Es war nicht länger nur sein Geheimnis, sondern ihr gemeinsames, schließlich war auch sie hier. Sie hatte gewusst, dass es etwas gab, das er bewusst vor ihr verbarg. Nicht, weil Nikolay sich verdächtig verhalten hatte, sondern weil jeder Mensch nun mal Geheimnisse mit sich trug. Und dass sie nun eher zufällig als bewusst eines von seinen aufgedeckt hatte, befriedigte Venus auf eine andere Art und Weise.
Er starrte Arvin an, fragte sich noch, wie er nun doch die Kraft aufgebracht hatte, die schweren Lider zu öffnen, als sein Körper sich bereits in Bewegung setzte, die noch verbliebene Distanz zwischen ihnen zurücklegte und auf den des Lambs prallte wie ein Verdurstender, dem man gerade den helfenden Rettungsring entgegengeworfen hatte; und mindestens genauso sehr wie die Hoffnung auf Bergung aus diesen tosenden Wellen krallten sich seine Finger in die Schultern seines besten Freundes, als er ihn mit all seiner Kraft an sich drückte und den vertrauten Geruch einsog, von dem er überzeugt gewesen war, nie wieder Zeuge werden zu dürfen.
Er wehrte sich gegen den Gedanken, schmerzte er doch zu sehr, doch wenn er ehrlich mit sich selbst war, dann hatte Arvin mit dem Auszug aus seinem Leben genau das mit sich genommen, was der Shepherd daran geschätzt hatte. Was er, genau genommen, überhaupt erst dort aufgebaut hatte. Als hätte er, nach Davins Tod, eine Saat in seinem Inneren fallen gelassen, die sich erst mit der Zeit in die Erde gegraben und dort langsam, aber stetig gewachsen war, die Farben zurück in sein Leben gebracht, seinen trüben Blick geschärft hatte für Kontraste und Schönheit, für Details und kleine Wunder.
Der Shepherd sah all diese Veränderungen, spürte sie jedoch nicht. Er erkannte, dass der Winter Einzug hielt, doch anders als sonst sah er seine Schönheit nicht mehr und hielt auch keine Anteile an einem Aufkeimen seines Interesses dafür. Wo ihn an Schneeflocken die wundersame und gleichsam -schöne Struktur in den Bann gezogen hatte, das Wachsen der Eiskristalle bei stetig voranschreitendem Gefrieren des Wassers, sah er nun nicht mehr als genau das – gefrorenes Wasser, das vom Himmel fiel.
Er nickte seinen Geschwistern zu und trat los, den Blick dabei kurz zu Hamlet senkend, der mit gesträubtem Stolz und meckerndem Unmut Velma folgte, wie ein bockiges Kind. Arvin sah zu seiner Schwester, hob eine Braue, dann folgte ein schmunzelndes Kopfschütteln. Typisch Hamlet.
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