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Wenn sie an ihre gemeinsame Schulzeit zurückdachte, dann blieb eine Erinnerung prägend: Sie und August auf dem Dach, den roten Wein direkt aus der Flasche trinkend und Silas Hand, schmutzig vom Klettern, wie er sie lachend durch das weizenblonde Haar von Maurice zauste. Sie hatten einander alle geliebt, aber diese Zeit war lange vergangen. Es gab keine Bande mehr zwischen ihnen, und wenn doch, war Héloïse hier, um sie mit aller Gewalt zu zerschneiden.
Eben weil er selbst für Sloan einen unkontrollierbaren Faktor darstellte, und da normalerweise Sloan dieser Faktor im Leben anderer war, war they auch klar, dass sie im Grunde miteinander in Konkurrenz standen. Somit auf Augenhöhe, auch wenn Abel die nervtötende Angewohnheit hatte, über seine so anziehend dominante Nase hinweg von oben herab anzusehen, als würde er they höchstens zufällig mit einem Blick bedenken, niemals absichtlich. Es machte Sloan wahnsinnig.
Und, dass er der Schreckschraube von nebenan, die gerade ganz zufällig einen Blick aus ihrem Fenster geworfen hat, eine fabelhafte Show bieten konnte, über die sie sich mit ihren Freundinnen beim Kaffeekränzchen sicherlich wieder das Maul zerreißen wird.
Und manchmal, da ist es nicht nur bloßer Unmut, da ist es leises, hässliches Flüstern, ob Ollie sich vielleicht für etwas besseres hält, weil er sich eben nicht auf derartiges ‘herablässt’. Und dann werden manchmal selbst Freddies Witze darüber etwas zu viel und etwas zu wenig lächerlich, als dass man darüber noch aus Mitleid lachen könnte, und nicht selten hat es Momente gegeben, in denen Heyne ihm mit einem sanften Stups gegen die Schulter und einem flehenden Ausdruck in den wehleidigen Zügen zum Aufhören zu bewegen versucht hat.
Menschen sorgten sich nicht um ihn, nicht um Maksim Fedorov, der doch schon immer breite Schultern und ein vor Stolz in die Höhe gerecktes Kinn gewesen war. Niemand musste sich um Maksim Fedorov sorgen, schon gar nicht seine besten Freunde.
Erstens, Heyne fror schnell, also war jede Aktivität, bei der man nicht mindestens zwei Lagen tragen konnte, absolut nicht geeignet für ihn.
Zweitens, Heyne hatte die Reaktionsgeschwindigkeit einer Schildkröte — außer es ging darum, sich wegen irgendetwas Sorgen zu machen, da war er erstaunlich schnell. Und drittens, Heyne hatte zwei linke Füße - und zwei linke Hände — und vielleicht sogar zwei linke Knie.
Zu schmal war der Grat geworden; auf der Suche nach seiner eigenen Seele lief er an Tausenden knorrigen Bäumen vorbei, an denen Tausende von Stricken baumelten, und alle knarzten sie seinen Namen, trugen seine Initialien, wartend darauf, dass er ihr Erbe annahm und sich zu Grabe tragen ließ.
Für Heyne bestand keine Frage, dass Oleander Caulfield früher oder später immer mitbekommen würde, wenn einem ihrer gemeinsamen Freunde etwas passierte. Vielleicht, weil er als Krankenpfleger arbeitete. Klar, das tat er zwar auf der Kinderstation, aber erstens benahmen sich Heynes und Ollies Freunde eh eher so, als würden sie genau dort hingehören - gut Heyne von Zeit zu Zeit vielleicht auch - und zweitens ging Heyne davon aus, dass gewisse Sachen in Krankenhäusern eben die Runde machten. Sachen wie ‘Übrigens einer deiner Freunde ist von seinem Balkon gestürzt und hat sich den Kopf aufgeschlagen’.
Er würde also wohl oder über dastehen müssen und zusehen, wie Charlie langsam aber sicher verblutete. Wenigstens wäre das Erlebnis vermutlich traumatisch genug, dass Heyne ein paar tief bewegende Gedichte darüber schreiben könnte.
Schon wieder verließ Benjamins Kehle ein halb lachender, halb erstickter Laut. Seine Schultern bebten, auf seinen Wangen brannten noch immer erhitzte Tränen. ”What is war if not stupid?”
Kokettierend mit ihrem Talent war Héloïse stets irgendwo zwischen unerträglicher Arroganz und zähnefletschendem Charme. Und wer sich dem ergab, konnte unter ihrer Führung genauso außerordentlich sein wie sie
Dabei war es doch genau das gewesen, was ihn so an Aurora gereizt hatte - die Herausforderung, welche sie in ihrem ganzen Sein für ihn dargestellt hatte, weil sie keiner Frau, welcher er je zuvor begegnet war, auch nur im entferntesten geähnelt hatte. Weil Frauen wie Aurora nicht mit Männern wie ihm sprachen - Männer, die ihr doch eigentlich nichts zu bieten hatten. Er war ein Niemand gewesen und Aurora alles.
So eine Puppe hatte keine Persönlichkeit. Verlor Zenaida gerade ihre? Weil sie nicht mehr erfolgreich war, weil sie ihre Freund:innen nicht mehr hier hatte? Wer war sie jetzt? Eine Versagerin. Dieses Geständnis, nicht mehr gesehen werden zu wollen, inmitten hungriger Augen, die sich an ihrem Sturz nicht sattsehen können, wog schwer.
Wenngleich die Offenbarung ihrer Unsicherheit für die eine oder andere Person nichtig oder kleingeistig wirken mochte, schien sie Zenaida gar selbstzerstörerisch zu sein. Es kam ihr vor, als würde sie ihr sorgsam aufgebautes Image der unantastbaren Königin selbst demontieren, wie eine Schaufensterpuppe, die man auseinandernahm, um ihr den neuesten Modetrend überzustülpen.
Die Illusion ist, dass das, was wir teilen, nicht schmerzhaft ist. Manchmal will ich es aber verschleiern. Manchmal will ich nicht so gnadenlos sein und mich daran erfreuen, wie grausam es ist, was wir einander antun.
Manchmal, da fragte er sich vermutlich zu recht, ob die bunte Kabbelei ihrer Truppe ein gutes Zeichen war, eins für eine gesunde Moral, einen kräftigen Herzschlag, oder ob sie damit die Risse in der Fassade überdeckten. Ob sie nur mit genug Humor ein Platzdeckchen über den Spalt im Holztisch zogen, diese von Gewalt verursachte Verwundung, über die schwer zu reden war, weshalb man sie lieber kosmetisch aus dem Weg schaffte. Sie weglächelte, wenn jemand fragte.
Die Angst gefriert auf seiner Haut, windet sich durch die Ritzen seines Schals, zieht sich seinen Nacken hinab, lässt die Haare dort zu Berge stehen. Vielleicht hätte sie sogar die Kraft gehabt, ihn in seinem Tun zu hemmen, wäre da nicht die Faszination am Verbotenen, deren Hitze unter seiner Haut schwelt, scharfe Stiche über seinen Rücken, seine Arme, sein Gesicht jagt, die ihm zu Kopfe zu steigen scheint.
Dann tat sich ihm auch noch die Frage auf, wer zur Hölle Mairi war und welchen Kunden sie belästigte, denn er konnte es nicht sein. Er fühlte sich alles andere als belästigt (außer vielleicht von Arvin sorry), aber außer ihm befanden sich keine anderen Kunden im Laden.
Es kam nicht oft vor, dass Perseus so etwas wie innere Ruhe verspürte. Zu jeder Minute, gar Sekunde seines Lebens wütete ein Sturm in ihm, der ihn niemals ruhen ließ, der ihn immer wieder daran erinnerte, dass das Leben beschissen war und so vieles so falsch lief.
In dem Sessel neben seinem hatte es sich Perseus mit seinem Skizzenbuch gemütlich gemacht. Die Nase so tief in den Seiten vergraben, dass Corvus schon fast befürchtete, er würde jeden Moment versuchen, mit dem Ding auf Tuchfühlung zu gehen.
Was die eine konnte, konnte die andere doch schon lange — das Bedürfnis, andere zu übertrumpfen, war durch und durch fedorovisch.
Der Mann zog Mudan unter dem Tisch hervor; den Jungen, dessen Fingerabdruck auf der ganzen Traumwelt lag.
Seine Hände an meinen Oberarmen wärmen mich, trotzdem ist’s hier noch kalt.
Ja, es gab Tage, an denen sprach er mit Héloïse, ohne dass sie da war oder davon wusste, doch nun schien es ihm plötzlich an Worten zu fehlen, was er nach all den Jahren tatsächlich zu ihr sagen könnte, also kam ihm das einzig sinnvolle über die Lippen: ”You look like a whore.”
Missed me? ”Not a fucking minute.” Wie auch, wenn sie ständig in seinem Kopf rumgeisterte, ihre Stimme ihn unaufhörlich verfolgte und regelrecht in den Wahnsinn trieb?
Sein Talar roch nach altem Rauch und Selbstverachtung.
Während sein Gegenüber sich erklärte, blieben Percys Augen starr auf Arvin gerichtet, trotz der kreisenden Bewegung seines Fingers, die dazu einlud, ihm mit dem Blick zu folgen. War definitiv Percys misstrauischer Art zu schulden, die noch heute darauf wartete, dass Arvin seine Maske endlich fallen ließ und der Welt zeigte, wer er wirklich war – kein Mensch konnte so freundlich sein.
Percys erste Reaktion war, den Lamb anzufauchen, dass er keine Hilfe bräuchte, vor allem nicht von ihm. Muscle memory. Manche Angewohnheiten wird man halt nie wirklich los.
Sie wusste nicht, ob zuerst sie oder zuerst Silas den spärlichen Briefkontakt abbrach. Losgelassen hatte sie ihn trotz all der Jahre nicht. Er trug ihre Bissspuren tief in seinem Fleisch so wie sie seine Klauen. Und als sie ihn mit ihren Obsidianaugen fixierte, konnte sie den alten Schmerz süßlich in ihr klingen hören.
Sie sah so fabelhaft aus, wie sie es sich mit jeder Fantasie vorgestellt hatte, wie ihr Aufeinandertreffen sein würde. Er hingegen sah in seinem Priestergewand so bemitleidenswert aus, dass sich all die angestaute Wut auf ihn nicht wirklich entfesseln wollte.
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