Alle Inplayzitate
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Natürlich wollte auch er eine bessere Zukunft. Für ihre Welt und selbstverständlich auch für die Welt der Sinma. Für seine Familie und Freunde, die teilweise schreckliches durchgemacht hatten. Für sein Patenkind und alle anderen Kinder, die ihre Generation in den kommenden Jahrzehnten ablösen würden. Eine Welt ohne Angst, ohne Grausamkeit, ohne die Schatten, die ihm selbst zu lange gefolgt waren. Eine Zukunft, in der das größte Abenteuer das Lernen, Entdecken und Leben war — und nicht das bloße Überleben.
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Aber sie konnte es nicht. Konnte nicht einen Fuß vor den anderen setzen und die Vergangenheit, die Nicolò repräsentierte einfach hinter sich lassen. Wenn sie ehrlich war, dann hatte sie das alles überhaupt gar nicht hinter sich gelassen, hing fest und konnte sich von den diesen Fesseln nicht befreien.
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Ihr Gesicht verzog sich zu einer Grimasse, als er ihre Schwester erwähnte. „Die ist damit beschäftigt eine richtige van Hoek zu sein.“ Sagte Juniper leise. Denn nur deswegen stand sie selbst doch jetzt hier. Weil sie in den Augen ihrer Familie eben keine richtige van Hoek war. Nur die beschädigte Ware, die man in einer nebligen Nacht vor ihrer Tür abgestellt hatte.
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Ein erster Funken der Kontrolle, der ihm entwich. Der Oswin begreifen ließ, wie viel sich eben doch verändert hatte, nicht nur er. Und es machte ihm Angst. Mehr Angst als tausende Meilen in der Luft es gemacht hatten, mehr als ein Regen aus Kugeln, die alle sein Tod hätten bedeuten sollen. Mehr Angst als die Winter in Deutschland, die sich bis in sein Herz gegraben und jenes noch immer nicht wieder verlassen hatten.
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Er wünschte sich, sein Bruder würde es ihrem Vater - vermeintlichen Vater - gleichtun und ihn noch vor der Tür verweisen, denn wer auch immer der Mann war, der vor wenigen Augenblicken noch unter Tränen auf Corvus’ Veranda zusammengebrochen war - mit Oswin hatte er nur noch wenig gemeinsam und niemand war sich dieser Tatsache so bewusst, wie er selbst es war.
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Er ließ seinen Blick über ihre Gestalt gleiten, zu den milchweißen Knöcheln und dann wieder hinauf zu dem sanften Gesicht, das er einst zwischen seinen Händen gehalten hatte.
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Abel hätte davon beleidigt sein können, wenn es ihm nicht augenblicklich ein Gefühl der Überlegenheit gab, dass er seine Erinnerung an sie nicht leugnen musste.
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Emilio Moreno war keine Ausnahme. Er war arrogant. Sich auf eine Art bewusst, die nichts mit Erkenntnis und alles mit Lautstärke zu tun hatte. Ein Spiegeljunge, der dachte, er könne Licht lenken, dabei war er selbst blind im Kern. Er redete schnell und dachte langsam, liebte das Geräusch seiner Stimme, weil es ihm vormachte, er hätte etwas zu sagen. Ein Junge, der nie gelernt hatte, zu warten; auf Pausen, auf Tiefe, auf Einsicht.
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Abel glaubte nicht. Nicht an Gott und auch nicht an Kinder als Hoffnung der Zukunft. Nicht an irgendeine Art von geistiger Landwirtschaft, wie es so viele der anderen taten: kleine Köpfe bestellen, wachsen lassen, ernten. Nein, die Wahrheit war: Die meisten dieser Köpfe waren leer. Nicht leer wie Gefäße, die gierig waren befüllt zu werden, sondern leer wie Nebel. Ohne Substanz, ohne Echo.
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Ich spiele keinen Krieg mit dir. Ich will nur in deinen Briefen wohnen, mich in dich hineinschreiben wie Wasser in Rinnsale. Ich will dich auf mir spüren, dein Gewicht, deine Hitze, deine Hände, dein Atem, dein schöner, grausamer Mund. Küss mich, mach mich zu deiner Sprache. Beiß meine Zunge ab, damit du meine Wörter in dir tragen kannst. Küss mich.
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Du hast meine Eifersucht in eine kindische Naivität verkehrt, hast aus meinem Zittern eine Farce gemacht.
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Wenn ich zu dir nach Kairo käme, glaub mir, das erste, was ich täte, wäre, dich nach der Grausamkeit abzutasten, die deine letzten Worte schattiert hat.
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Zu ihrem Ärgernis, konnte sie ihn halb in der Scheibe gespiegelt sehen; die feine Zunge seines Haaransatzes, der elegante Schwung seiner Augenbrauen. Wenigstens nicht seinen dreisten Mund, den er mit hässlichen Flüchen füllte, als würde er sich an ihnen den Durst stillen.
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Sie wühlte sich durch ihre Gefühle wie durch Morast, bis ihre Nägel vor Dreck starrten.
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Stattdessen rief er ihren Namen, als hätte er ein Recht auf ihn. Fing ihr Lächeln ab, das nicht für ihn bestimmt war, wie ein Dieb.
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Aber das, was sie ihm tatsächlich übel nahm, was sich hinter diesem überaus unansehnlichen aber nicht verbotenen Fehler in seiner Natur verbarg, war, dass er ein Soldat war. Ein Pilot, wie sie mittlerweile wusste, weil er es ihr im Fieber verraten hatte. Sie nahm ihm übel, dass er das war, was Theo nicht war: Überlebender eines Krieges, der so viele Menschenleben verlangt hatte, sich daran den Bauch satt gefressen hatte.
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Er war nicht gekommen, um Seelen zu retten. Nur, um die Wahrheit aus dem Dreck zu ziehen. Und wenn sie dabei zerschlagen, zerbrochen oder verbrannt werden musste, dann war das eben der Preis.
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Es war, als würde ihre Umgebung selbst einen Schritt zurücktreten, um Platz zu machen für das, was sich nun zwischen den Fugen des Moments schälte: die Präsenz der schwarzen Magie. Ein leiser Nebel, träge und schwer, wie die Erinnerung an etwas, das längst in Vergessenheit geraten war. Corvus ließ ihn spüren, dass sie da war, nicht, indem er sie direkt entfaltete, sondern indem er sie andeutete, wie ein Bild, das im Dunkel nur durch die Silhouette zu erkennen war. Die Narben an seinem eigenen Körper, gut verborgen unter Stoff und Zauber, schienen bei ihrem Flüstern mitzusingen.
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Er trat näher, sein Blick wie ein Skalpell, das bereits vor dem Schnitt erkannte, wo die Schwäche saß.
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Der Ausdruck in seinem Gesicht war ein Chaos aus vielem: Erschöpfung, Angst, der unbeholfene Versuch, sich nicht in seinen eigenen Gedanken zu verlieren. Verzweiflung stand darin, klar wie Tinte auf frischem Pergament. Er sah ihr beim Arbeiten zu, wie sie Brotscheiben schnitt, als wären es Gedanken, die sie in gleichmäßige Scheiben portionierte.
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Er biss sich auf die Unterlippe, spürte das schmerzhaft ziehende Brennen einer alten, aufgebissenen Stelle, die nie ganz verheilte. Seine Finger verschränkten sich, verkrampften sich, lösten sich wieder. Es war ein leises, inneres Ringen, fast so, als würde er seine eigene Auflösung hinauszögern, eine Bewegung nach der anderen, um nicht vollständig zu zerfallen.
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Kalt war es, aber auf die gute Art. Nicht beißend, nicht schneidend, sondern frisch und klar, wie ein Schluck eiskaltes Wasser aus einem Bergbach. Die Sonne hatte sich heute erbarmt und ließ die dicke Schneedecke im hellen Licht wortwörtlich erstrahlen, so dass es fast schon in den Augen schmerzte. Jeder Ast, jeder Zaunpfahl, jedes Dach war mit einer makellosen Schicht Schnee bedeckt, die so weich und glatt wirkte, als hätte jemand mit einem besonders zarten Pinsel darüber gemalt.
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Die Zähne des Winters sind hungrig, sie verlangen nach Fleisch und nach Blut.
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Das Holz gibt nach, scheint lebendig, wie eine Lunge die sich füllt und füllt, aber nicht freigibt, nicht unter der eisigen Kälte, die sich diesen Ort schon zu lange zu eigen gemacht hat.
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”Besides, maybe it doesn’t all feel like it used to, but in some ways that’s good, isn’t it? This wouldn’t be possible otherwise, I fear. This-“, bei diesen Worten reckte er das Kinn und küsste Maksim, kurz, hauchzart, regelrecht scheu, ”it wouldn’t have happened back then.”
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”I for one often think about how much easier everything used to be. I promised once to never stop being your friend, and I won’t break that promise. Though I can’t change what happened or promise that I won’t make mistakes again, I can tell you that no matter what, I’ll still be a friend to you even if it might pain me one day.”
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Es war ein kleiner Schock, der ihn heimsuchte, als er das, was Maksim sagte, tatsächlich voll und ganz verstand. Als ihm klar wurde, dass Maksim vermisste, wie sie einst gewesen waren. Dass er glaubte, als einziger von ihnen allen, aber vor allem von ihnen beiden, an Vergangenem zu klammern oder sich überhaupt darum zu scheren, was mit ihnen geschah. Es war so absurd, dass es Eliyas für einen Augenblick die Sprache verschlug.
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Sie waren gemeinsam aufgewachsen, sie waren beste Freunde, sie waren einander so vertraut wie niemand sonst, und doch musste Eliyas immer wieder feststellen, dass Maksims Wesen Tiefen besaß, die er noch nie erforscht hatte. Dass er Gedanken und Gefühle in sich trug, an denen er Eliyas nie hatte teilhaben lassen.
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Er wollte sich an beidem ergötzen können, wann immer es ihm beliebte. Er wollte an Maksims Freundschaft appellieren können aber ihn zugleich lieben dürfen, selbst wenn er ahnte, dass in Maksim die Welt verworrener war; dass er nicht von der zerreißenden Sehnsucht erfüllt war, die Eliyas freimütig seinen Schlafrhythmus zerstören und sich wünschen ließ, er müsste am nächsten Morgen nicht zur Arbeit gehen, sondern könnte bleiben, wo er war. Unaufgeregt in Maksims Armen liegend, in dessen schläfriges Schnarchen gewickelt wie in einen akustischen Kokon.
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Die samtigkalte Nacht wehte einen dunklen, rußigen Geruch in die Wohnung. Es war 2 Uhr morgens, der Winter entblößte seine Kehle und wickelte das, was Eliyas und Maksim mit ihrer Freundschaft anrichteten, ab wie einen Faden vom Wollknäul.
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