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Auf eigenen Füßen stehen, das war es doch, was sein Vater sich von ihm erhofft hatte. Verantwortung zu übernehmen. Zu beweisen, dass er mehr als der Junge war, dessen Scherben man hinter ihm wegräumen musste.
”You didn’t destroy our friendship”, fing er nun langsam an und für einen Moment sah er sich zwischen all den Briefen stehen, die er doch nie abgeschickt hatte.
Ein einziger Kuss, den er selbst zehn Jahre später noch auf seiner Wange brennen spüren konnte, hatte sie aus dem Gleichgewicht gebracht, und es war wieder ein Kuss gewesen, mit welchem Maksim den Untergang ihrer Freundschaft besiegelt hatte, als hätte er es nicht besser wissen müssen, als Eliyas an sich zu ziehen und ihm seine Lippen aufzuzwingen.
Eliyas ekelte sich vor ihm. Mit jedem falschen Lächeln bewies er dies Maksim, mit jedem ungeschickten Witz rieb er es dem Fedorov noch einmal unter die Nase, mit jedem Mal, dass er Frédéric, Heyne und Oleander in eine Umarmung zog, aber nicht Maksim, niemals Maksim, als müsste er befürchten, sich etwas widerwärtiges einzufangen, wenn sich auch nur ihre Arme berührten. So war es schon immer gewesen.
”Versuchst du uns zum Singen zu erpressen? Der feine Herr Excubitor?” Seine Augenbrauen zuckten in die Höhe, er zog noch einmal an seiner Zigarette und dann kam er Oleanders Bitte nach, indem er ihm erst die Zigarette überließ und dann dazu ansetzte, mit seinem Fahrrad loszufahren - jedoch nicht ohne voller Inbrunst zu singen zu beginnen: ”Kaaalinnnka, kalinka, kalinka mayaaa! V sadu yagada malinka, malinka maya!”
Ihre Mutter hätte sie nie auf diese Weise umarmt. Weder Agnessa noch Maksim. Noch nie zuvor war ihm ein Gedanke dieser Art in den Sinn gekommen und doch genügte er nun, um auch ihm die Tränen über die Wangen zu treiben und seine Schultern beben zu lassen. Oh, wie sehr er sich selbst in diesem Augenblick doch verachtete.
Überhaupt finde ich es fast schon beleidigend, dass du Rugby mit Basketball vergleichst - nur weil beide Sportarten einen Ball beinhalten, kannst du die noch lange nicht auf eine Ebene miteinander setzen. Oder würdest du auch Golf und Tennis direkt nebeneinander stellen, nur weil man bei beidem mit einem Stock gegen Bälle schlägt? Wenn ja, ist es vielleicht ganz gut, dass du nur in der Sport-Vereins Sauna sitzen würdest.
Ich war bestimmt schon dreimal kurz davor, alles hinzuwerfen und mir als Rugby-Spieler fortan professionell die Nase brechen zu lassen.
So ein Rugby-Feld ist bestimmt deutlich fruchtbarer, als mein stickiges Büro und das wäre sicherlich lustig. Wie Nikolay wohl darauf reagieren würde? Auf jeden Fall würde es dafür sorgen, dass mein Vater das Zeitliche segnet.
Oft genug war es aber auch er selbst gewesen, der sich eine Ohrfeige für einen unangebrachten Spruch eingefangen hatte. Seiner Meinung nach waren es nur Scherze gewesen - fragte man seinen Vater oder Nikolay, dessen Kopf sich sowieso bis zum Anschlag in Czars Hintern befand, war er nichts weiter als respektlos.
Vielleicht war Maksim das in diesem Augenblick aber auch egal - er kam so oder so in die Hölle, davon war er längst überzeugt. Wenn er sich nicht sogar bereits in dieser befand. Eine Hölle so groß wie das Anwesen, in welchem er geboren wurde.
Dieser Wind bedeutete Heimat und Sicherheit, dieser Wind konnte ihn in eine wohlige Nostalgie hüllen oder ihm einen unangenehmen Schauer den Rücken hinab jagen, dieser Wind konnte Geborgenheit und Verachtung in sich tragen. Dieser Wind trug den Namen seiner Mutter.
”Ich entschuldige mich nicht für einen Fehler, den du gemacht hast.” Denn letztendlich war es doch Czars Verantwortung gewesen, es gar nicht erst zu solch einem Fall kommen zu lassen. Er war das Oberhaupt der Familie und des Beluns. Er war der Mann, der die Hände anderer schüttelte, selbst wenn er sich dabei selbst mit Blut befleckte.
Ein Glück, dass Nikolay ein zu großer Spießer war, um ungebeten in einen Raum zu treten.
Wenn Maksim es wagte, zu träumen, nur für sich, so heimlich, dass es sich anfühlte, als würde er damit gegen Gesetze verstoßen, dann doch stets mit dem Hintergedanken, dass ihm nichts davon jemals zustehen würde.
Ja, mit Sicherheit wäre es nun das Vernünftigste gewesen, wenn Maksim Fedorov aufgestanden und in die nächste Bar gegangen wäre, um sich dort eine ebenso vernünftige Frau zum Heiraten zu suchen, mit ihr in eine ähnlich hässliche Stadtvilla zu ziehen, wie Agnessa es getan hatte, und sich der Gestaltung der Kinderzimmer zu widmen.
Es war absolut nichts Falsches dabei, seinen besten Freund auf die Wange zu küssen. Vielleicht war das nicht unbedingt etwas, was man täglich und einfach so tat (außer man hieß Rousseau und zählte dies zu einer anständigen Begrüßung hinzu), aber letztendlich war ein Kuss auf die Wange doch auch kaum mehr als ein kräftiger Handschlag.
Niemals würde sie es wagen, Katya oder gar Nikolay auf die gleiche Weise anzusehen, wie ihn. Die Ältesten betrachtete sie mit Stolz, die Jüngsten bedachte sie in geduldiger Erwartung. Nur ihn, nur Maksim sah sie an, als würde es sie mit großem Bedauern erfüllen, ihn ihren Sohn nennen zu müssen.
Obwohl der Wintereinbruch noch längst nicht vor der Tür stand, zog ein eisiger Wind durch die Stadt der Weißen Nächte. Maksim kannte diesen Wind, kannte ihn wie ein Kind die sanfte Hand seiner Mutter auf der eigenen Wange kannte.
Es war so typisch für sie, sich für jedes gesprochene Wort zu entschuldigen, dass es Maksim nicht überrascht hätte, wenn sie dies auch für jeden zu lauten Atemzug tun würde. ”Hör auf damit”, entwich es ihm deshalb etwas schroff, dabei waren seine Worte eigentlich gut gemeint. Sie musste sich nicht entschuldigen. Außer vielleicht dafür, dass sie ausgerechnet Arturo D’Ambrosio geheiratet hatte, aber das war ein Thema für einen anderen Moment, einen anderen Tag.
Aber Maksim war Maksim. Er interessierte sich nicht für das ansehnliche Stadthaus mit dem gepflegten Garten und er wollte auch nicht wissen, wie viele Zimmer sie bereits für zukünftige Kinder vorbereitet hatten, weil er dabei nur hoffen konnte, dass keines von diesen Arturos hässliche Nase erben würde.
Selbst jetzt wollte er nichts mehr, als sich Eliyas’ Nähe gewiss sein. Er wollte sich von seinem Lachen einlullen lassen, wie von einem Schlaflied, und sich an Worte klammern, die ihm nicht zustanden und die man ihm niemals widmen würde
Klar war nur, dass die Wahrheit sich selbst im Angesicht der heutigen Katastrophe nicht zu offenbaren wagte, als wäre ein Eingeständnis noch viel verheerender, als der Terror, welcher in der Taschendimension Einzug gefunden hatte.
Um ehrlich zu sein traute Maksim ihr durchaus zu, derartig desinteressiert an ihrer Umwelt zu sein, dass ihr gar nicht auffiel, was um sie herum geschah, sofern es ihr nicht die Frisur zerstörte, aber es war noch immer sein Vater, von welchem sie dort sprach. Czar Fedorov. Dieser Mann würde lieber die Redaktion des Beluns anzünden, als sich mit einer Selena Summerset sehen zu lassen. Zumindest war es das, was Maksim bisher geglaubt hatte. Und gehofft.
Eliyas war nicht da gewesen und doch hatte jede Ecke seinen Namen geschrien und jeder Schatten sein Gesicht getragen.
Maksims Herz war nicht dafür gemacht, für fremde Hände und sanfte Worte. Es war wie eine Welle, die an einem Fels zerbrach, rau und ungestüm in ihrem Drang, sich selbst jedes Mal mit etwas mehr Wucht zu zerstören.
Maksim Fedorov war immun gegen Schwärmereien. Kein Mädchen schien das gewisse Etwas zu besitzen, um sein Interesse zu wecken. Er verliebte sich nicht.
So berührt zu werden, mit solch einer Vorsicht, hatte sich schon immer falsch für ihn angefühlt; als wäre es anmaßend von ihm, sich in etwas anderes als blanke Gewalt zu stürzen.
”Glaub ja nicht, dass meine ‘Dienste’ kostenlos wären”, nuschelte er mit der Zigarette zwischen den Lippen und nun gänzlich ins Russische abschweifend, womit er jedoch nur das Feuer meinte, nicht das, was er in der Haupthalle getan hatte.
Eine Erinnerung aus der Schulzeit: sie beide, 17 Jahre, und Maksims Faust, welche Bekanntschaft mit ihm macht. Noch ehe sein Schlag traf, war dort endlich ein Name.
Mudan.
Die Welt verschwamm in einem einzigen Rauschen, ein Gemisch aus Stimmen, Gesichtern und Rauch [...]
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