Du hast in deinem Leben schon so einiges durchmachen müssen. Als Frau wurden dir immer und immer wieder Stolpersteine in den Weg gelegt - sei es durch deine Eltern, die Erwartungen der Gesellschaft oder eine erzwungene Heirat, um dich zu zähmen. Du hast sie alle mit Bravour umschifft, hast immer an deine Ziele, deine Wünsche, deine Träume geglaubt. Wieso solltest du auch von weniger träumen? Wieso sollte es dir nicht gegönnt sein, deine Ziele zu erreichen?
Deine Ehe wurde schneller geschieden, als deine Eltern schauen konnten, deine Juristenkarriere wartete auf dich. Du hast über die Jahre mit vielen gebrochen - wieso auch nicht? Wieso solltest du Menschen mit deiner Existenz belohnen, wenn sie dich nicht unterstützen und versuchen, dich klein zu machen? Du wolltest mehr vom Leben, und du würdest es dir holen. Du wurdest die Beste in dem, was du tust.

Irgendwann hast du dich in der Taschendimension niedergelassen, um in einer renommierten Kanzlei zu arbeiten. Man hatte dir vieles versprochen - nicht zuletzt auch eine Partnerschaft. Das Versprechen hielt über Jahre an, und du hattest geduldig gewartet, bis du realisiert hast, dass du wieder nur hingehalten wurdest.
Und dann wurde dein ehemaliger Chef tot aufgefunden. Zufall? Schicksal? Deine Trauer war von kurzer Dauer. Du hattest deine Chance ergriffen und nahmst die Kanzlei an dich - neuer Name, fast dasselbe Team und fast dieselbe Klientel. Die Gerüchte über dich, dass du hinter dem Mord steckst, belächelst du nur. Viola Davis?

Auch du wolltest mehr von deinem Leben als die Karriere, die deine Eltern für dich vorgesehen hatten. Wir haben die Metzgerei nur für dich gegründet, damit du es später einfacher haben wirst“, waren beliebte Aussagen, als du den Wunsch geäußert hattest, Gerechtigkeit in eine ungerechte Welt zu bringen.
Dass das Töten, Zerteilen und Verarbeiten von Lebewesen nicht gerade dein Traumberuf war, wurde gerne überhört. Und dennoch hattest du an deinem Traum festgehalten. Es waren holprige, finanziell unsichere Zeiten, doch schlussendlich hattest du dich um Kopf und Kragen gearbeitet, um dein Studium zu finanzieren. Aber dein Ziel war nah - du hattest Freude an dem, was du tust.

Und nun? Nun hat sich all die harte Arbeit gelohnt, oder? Nun bist du der selbstprophezeite Staranwalt, der elegant und charmant jeden Fall löst, oder? Dein Studium hast du erfolgreich geschafft, auch eine Anstellung hast du rasch bekommen - allerdings hatte man dich immer und immer wieder übersehen. Kleine Bagatellfälle, hier und da ein kleiner Vertragsrechtsverstoß, Assistenzarbeiten. Dabei träumtest du von Verhandlungen vor Gericht, mitreißenden Plädoyers, spannenden Fällen - und am Ende auch vom Guten in der Menschheit. Mit dem Wechsel an der Spitze siehst du hoffnungsvoll in die Zukunft. James Norton?

Du bist hier, weil du die beste Freundin des Hoffnungsvollen und des Blinden bist. Sie sind der Grund, weshalb du überhaupt deinen Ehemann, den Rigorosen, erst kennengelernt hattest. Es hatte einige Jahre gekostet, bis ihr endlich zusammenkamt - und bis heute weißt du nichts von den Wetten, die deine Freunde hinter deinem Rücken abgeschlossen haben. Recht und Ordnung hatten dich schon immer interessiert, aber im Gegensatz zu der Vorgesetzten hattest du dich nicht durchsetzen können, ein Jurastudium beginnen zu dürfen. Es hatte viele Tränen gekostet, viele Unsicherheiten mussten überwunden werden, bis du deine wahre Berufung gefunden hattest: investigative Journalistin. Du bist primär Reporterin beim Falkenkurier, bist viel in der Welt und in der Taschendimension Stellans unterwegs. Deine Vorgesetzten und Kollegen mögen dich - du bist sympathisch, und wenn man es durch deine Eisschicht geschafft hat, auch ein liebevoller Mensch. Eine gute Diskussionskultur ist für dich das A und O. Du scheust dich nicht vor schwierigen Themen; Worte sind deine schärfste Waffe - egal ob verbal oder auf dem Papier.
Du hast keine Angst vor Machtgefällen, insbesondere wenn dein außerordentliches Bauchgefühl dich in die richtige Richtung weist. Jetzt gerade bist du wieder an einem Fall dran: dem Mord des ehemaligen Kanzleibesitzers. Du bist stutzig geworden - vielleicht lag es daran, dass die Vorgesetzte kaum eine Woche hatte verstreichen lassen, oder daran, dass der Mord geschah, als die Taschendimension abgeriegelt war. Etwas stimmt nicht, und du bist der Wahrheit auf der Spur - ohne zu wissen, dass du es am Ende mit der Heimgesuchten zu tun hast. Deborah Ann Woll?

Wenn es einen Preis für „Wie viel Scheiße kann ein Mensch sehen“ geben würde, dann würdest du sicherlich in die engere Wahl kommen, was die Verleihung anbelangt. Du hast Krieg miterlebt, Fälle begleitet - und generell magst du die meisten Menschen nicht. Wieso du Anwalt werden wolltest? Weil es jemand anderes von dir wollte, weil es prestigeträchtig war - bis du irgendwann realisiert hast, dass es nicht nur um Geld geht, sondern auch um Existenzen, um Menschenleben. Sobald du von deinem hohen Ross heruntergekommen bist und deine Mandanten nicht mehr von oben herab angesehen hast, hast du auch die Liebe und Leidenschaft zu deinem Beruf gefunden.
Das ist nun einige Jahre her. Und heute? Heute bist du erfolgreich - aber nicht aus den falschen Gründen. Du bist erfolgreich, weil du dich sorgst, weil hinter der harten Schale ein weicher Kern steckt. Und weil die Wege, die du gerne beschreiten würdest, nicht legal sind. Dass das System kaputt ist, weißt du spätestens, seitdem du aus dem Zweiten Weltkrieg wieder nach Hause zurückgekehrt bist. Wohlbehalten und an einem Stück - doch in dir ist so viel gebrochen. Du zweifelst am System, an wahrer Gerechtigkeit, wenn es so viel Ungerechtigkeit auf der Welt gibt. Die Reporterin, deine geliebte Ehefrau, weist dich immer wieder auf den richtigen Weg, und du weißt selbst, dass du alles in der Hand hast, um das System zu ändern. Also mach dich an die Arbeit - Veränderung kommt nicht von allein. Ob die Vorgesetzte dich für eine Partnerschaft vorsieht? Man findet dich immer wieder im Boxstudio, und mit dem Blinden hast du auch einen formidablen Boxgegner. Jon Bernthal?

Du warst schon immer eine Streberin. Die besten Schulnoten, die besten Noten während deiner Ausbildung - immer warst du die Beste, Beste, Beste. In deine Zukunft wurden viele Erwartungen gelegt, und alle Türen hast du dir mit deiner Strebsamkeit geöffnet. Und dennoch - dennoch hast du dich leer gefühlt. Es gab nichts, was diese Leere füllen konnte. Die Erwartungen, dass du etwas Großes leisten würdest, haben dich zur Flasche greifen lassen, weil sie zu viel wurden. Schlussendlich haben dich die Erwartungen und die Enttäuschungen über das Nichterfüllen dieser Erwartungen gebrochen. Lange hast du nicht gewusst, wohin mit dir, lange hast du gebraucht, um von der Flasche Abstand zu nehmen.
Bis du eines Tages realisiert hast, dass dein liebstes Hobby auch dein Beruf sein könnte - Puzzles und Rätsel lösen. Allerdings mehr in Richtung Privatdetektivin. Meistens warst du bisher außerhalb von Stellans unterwegs, warst in der vorherigen Kanzlei auch angestellt, um die dreckige Arbeit zu machen - aber hey, die Bezahlung war bisher immer ganz gut. Und nun? Nun wurdest du wieder eingestellt. Eigentlich hat es dich für einen Moment in den Fingern gejuckt, dem Todesfall deines ehemaligen Chefs dein feines Spürnäschen zu widmen. Aber da du schon selbst vor Jahren ermittelt hattest, dass er unglaublich viel Dreck am Stecken hatte, hattest du es für dich abgeschrieben - gegen Karma kam niemand an, auch nicht du. Der Blinde wird dich auf die Heimgesuchte ansetzen. Was wirst du wohl herausfinden, wenn dein Spielraum begrenzt ist? Tessa Thompson?

Heimsuchung kann so viele Formen haben. Ob es nun Geister sind oder Erinnerungen - schlussendlich haben sie eines gemeinsam: Sie lassen nicht los, zerren und reißen an dir, halten dich vom Schlafen ab und lassen dich nur mit Gewalt frei. Sie verhindern, dass du abschließen kannst, dass du deinen Kreis an schlechten Angewohnheiten und Emotionen durchbrichst, sie verhindern, dass du über deinen Schatten springst. Sie lassen dich nicht los, auch wenn du sie hinter dich lassen möchtest. Die Gefühle, die Erinnerungen, die unüberwindbare Mauer.

So geht es auch Elektra, die dank der Raffgier anderer ihre Eltern begraben musste. Ihr wurden die Eltern brutal genommen, und seither wird sie von dem Geist ihrer Mutter heimgesucht. Auch wenn ihre Mutter längst weitergegangen ist, hat sie sich den Geist - eine Mixtur aus unverarbeiteter Trauer und Erinnerungen - selbst erschaffen. Ein Geist, der Rache verlangt hatte, der Elektra daran hinderte, ihre Trauer zu verarbeiten, sie stattdessen zwang, auf ihrem blutigen Weg ihre Seele stückchenweise zu verlieren.
Und nun ist sie in Stellans, teilt sich mit Matthew das Bett. Suchende Finger finden sich, begleitet von einem Stirnrunzeln, das auf die Atmung der Heimgesuchten hört - denn der Blinde ist… blind. Wortwörtlich. Auch er hat mit Geistern zu kämpfen, insbesondere mit der Krankheit, die ihm das Augenlicht genommen hat - ein Umstand, den er akzeptiert hatte, auch wenn er immer noch damit hadert. Er verschränkt ihre Finger, dreht sich zu ihr, in der Hoffnung, dass sein abtrünniger katholischer Gott ihm das Augenlicht wiedergibt, damit er seinem persönlichen Abgott noch einmal ins Gesicht sehen kann. Damit er die Geheimnisse erfährt, die sie ihm verschweigt. Ein Katz-und-Maus-Spiel, das seit dem College so geht, das langsam, aber sicher, einen unausweichlichen Punkt annimmt.
Der Anwalt ist besorgt - unausgesprochene Fragen und stumme Antworten hängen schwer in der Luft. Die Geister betteln darum, gesehen und gehört zu werden, wollen mit ihrer Heimsuchung darauf hinweisen, dass sie noch nicht ganz aus der Welt verschwunden sind - auch wenn sie dabei alles zerstören, was Absolution und inneren Frieden, eine Zukunft, gleichkäme.